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Gewalten

Gewalten

Titel: Gewalten
Autoren: Clemens Meyer
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auf, das keiner außer mir mit diesen 5 -Euro-Chips spielt, die sind ... Beige würde ich diese Farbe nennen, die anderen Stücke sind orange, blau, ich bin ein wenig farbenblind, und alles liegt im Halbdunkel, wie sich das für einen Ort für uns Spieler gehört, aber die Chips der anderen scheinen mir alle mehr wert zu sein als meine, obwohl ich ja über dem Mindesteinsatz spiele, der 2  Euro beträgt; auf einem Chip, der ruht auf der 17 , wurde ein kleines metallenes Gewicht platziert, das so aussieht wie die Gewichte,
die es früher an der Waage beim Fleischer zum Beispiel gab, nur eben viel kleiner wie in einem Kaufmannsladen für Kinder; »Wer hatte noch die kleine Serie?« »Ich«, sage ich und bekomme einen kleinen Stapel 5 -Euro-Chips, die schiebe ich sofort und ohne zu zählen in meine Gesäßtasche überm Arschgeweih, das ich zum Glück nicht habe, weiß also gar nicht, wie viel genau ich gewonnen habe, aber ich habe GEWONNEN , nur das zählt. Ein Geruch nach Fäulnis, der Japaner flüstert wieder in mein Ohr, wo kommt der so schnell her jetzt?, »noch einmal«, flüstert er, »noch einmal kleine Serie«, ich sehe seine bräunlichen Zähne, braune Chips sind auch im Spiel, »alles auf die 10 «, ruft jemand, ich aber setze auf die Waisenkinder, und der Japaner ist wieder weg, und nach Minuten, in denen ich auf den Füßen wippend so vor mich hinstehe und die Wahnsinnigen beobachte, die in ihren Systemen gefangen sind, exotisch oder volksdeutsch oder Freistil, »achte auf die Hände der Spieler«, sagt Stefan Zweig, und die Hände kneten Chips und kneten sich selbst, links in rechts, Finger huschen übers Grün, Finger kratzen Hals und Wangen, »einundzwanzig zwei zwei«, das bedeutet, dass der Spieler seine Chips auf die 21 und die links und rechts neben ihr liegenden Zahlen setzen will, wann hat der Japaner mir das erzählt?, er hat seine Hände immer gefaltet, wenn er auf mich einflüstert, und er reibt sie unaufhörlich und ist ständig in Bewegung zwischen den Tischen, aber ich habe ihn noch nicht einmal setzen sehen. Meine Arschtaschen scheinen sich zu füllen, ich gewinne mit der kleinen Serie ein paar Mal, dann spiele ich die Zahlen im Zero-Spiel und gewinne auch dort, ich weiß nicht, ob ich meine Einsätze verdreifache oder nur verdopple oder sogar vervierfache, und wieder die kleine Serie, die Waisenkinder, das Null-spiel,
das 7 Zahlen umfasst, ich gewinne mehrere Runden hintereinander, stopfe die Jetons einfach in meine Tasche und habe das Gefühl, mir würde der Arsch gewaltig anschwellen, und watschele wie Donald Duck rüber zur Bar. Kaum einer trinkt, und ich beobachte, Whisky trinkend, das Chaos. Ich blicke auf die Uhr, dreiviertel zwei, ich spiele seit fast zweieinhalb Stunden, bald macht der Laden dicht, und jetzt wird alles rausgehauen, was noch in den Taschen ist. Die beiden Pokertische sind leer, auch Black Jack wird nicht mehr gespielt, alles drängt sich um die Kessel und das Grün.
Nichts geht mehr
. Scheine verschwinden in den Schlitzen, 100 er, 200 er, 500 er, 20 er und 50 er auch dabei. Große Türme werden dafür rübergeschoben, Babylon. Das müssen Stammkunden sein, denke ich, die Echtheit des Papiers wird nicht angezweifelt. Gewinner und Verlierer sind kaum auseinanderzuhalten, wenn die Kugel sich ihre Zahl gewählt hat, sofort wird wieder neu gesetzt, verlorene Chips prasseln in die kreisrunden Öffnungen im Grün, werden in diese schwarzen Löcher eingesaugt, der Tisch frisst alles, weiße Hände in einer Reihe neben den Zahlen spielen Klavier, da steht tatsächlich ein Mann in Smoking, ein paar Scheine in der Hand, die Braut neben ihm sieht abgewrackt aus, aber das kann auch am Licht liegen oder an der Gier, die verzerrt das weichste und schönste Fleisch, für den Moment und auf Dauer, je nachdem, die Uhr tickt, nur noch ein paar Chancen, um den großen Reibach zu machen oder zumindest auf Null zu kommen, ich trinke meinen Whisky aus, fühle mich wie Danny Ocean in Las Vegas und wuchte meinen chipsgepolsterten Arsch wieder rüber zu
meinem
Tisch.
Machen Sie Ihr Spiel!
Der Kessel dreht sich, die Kugel klimpert und surrt über die 37 Zahlen, der Croupier rückt seine
Brille zurecht, die Chips prasseln auf das Grün, jetzt wird auch Rot oder Schwarz gespielt mit gewaltigen Einsätzen, da haut der Mann mit dem karierten Hemd ca. 400 in kleinen Stücken auf Schwarz, da schreit eine furchtbar hässliche Vietnamesin, die vorhin noch sehr hübsch aussah, »twei, twei, twei!«, da
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