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Gewagt - Gewonnen

Gewagt - Gewonnen

Titel: Gewagt - Gewonnen
Autoren: Berte Bratt
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es.
    Timian ließ die Brieftasche fahren. Er starrte einen Augenblick auf sein geliebtes Herrchen und auf Astrid, die er beinahe ebensosehr liebte. Was sollte das bedeuten, daß sie auf dem Fußboden hockten, einander in die Augen sahen und dumme Gesichter machten, statt mit ihm, Timian, zu spielen? Er wollte unbedingt der Mittelpunkt sein!
    Mit einem kühnen Sprung landete er unmittelbar hinter Astrid, die offenbar an seine Existenz erinnert werden mußte.
    Zwei kräftige und sehr aggressive Hundepfoten pflanzten sich fest und bestimmt auf Astrids Schultern. Von hinten. Sie verlor das Gleichgewicht, fiel vornüber…
    Jörgen fing sie auf, als sie mit dem Kopf direkt an seine Schulter sank. Sie blickte zu ihm auf und lächelte. Ihre Mundwinkel aber zitterten. „Astrid…“
    „Ja, Jörgen…“
    Ihr Arm schlang sich um seinen Hals. „Gott helfe mir, Astrid… ich halte es nicht länger aus.“
    Astrid hätte gern gesagt: „Gott sei Dank!“, aber sie kam nicht mehr dazu, irgend etwas zu sagen, in diesem Augenblick nicht, und auf lange, sehr lange Zeit nicht… Timian schien den Ernst der Situation zu begreifen. Denn während Astrid und Jörgen auf der Kiste in der Ecke saßen – die Kiste war der einzige Sitzplatz, auf dem zwei Personen sitzen konnten –, lag Timian auf dem Fußboden und beobachtete sie in völligem Schweigen. Aber seine Augen verfolgten alles sehr aufmerksam, und seine Schwanzspitze, die ständig in Bewegung war, verriet, daß er mit der Entwicklung der Dinge äußerst zufrieden war.
    „Lieber Gott, wie dumm du doch bist, Jörgen“, seufzte Astrid und lehnte den Kopf an seine Schulter.
    „Mein Mädel!“ flüsterte Jörgen über ihr Haar hin. „Bist du dir auch darüber klar, was du zu erwarten hast? Weißt du auch, daß es noch mindestens drei Jahre dauert, bis meine Schulden aus der Studienzeit bezahlt sind?“
    „Darauf pfeife ich“, sagte Astrid. „Und wenn es dreißig Jahre dauerte, so wäre es mir auch egal.“
    „Bist du dir aber auch darüber klar, daß wir nie in guten Verhältnissen leben werden, solange ich für meine Mutter zu sorgen habe?“
    „Hoffentlich dauert das noch recht, recht lange!“ sagte Astrid. „Ich freue mich schon riesig, sie kennenzulernen.“
    „Astrid, wir werden uns keine Wohnung in einem Einfamilienhaus leisten können und kein Auto…“
    „Schäfchen“, sagte Astrid. „Und wenn du mir nichts weiter als einen Keller und einen Strohsack bieten könntest, würde ich ja sagen. Außerdem könnte ich Hunde trimmen, bis wir die Kellerwohnung gegen eine gemütliche Klaviertransportkiste tauschen könnten. – Aber im Ernst, Jörgen. Du verdienst genug, um dich selbst und Timian versorgen zu können, und ich verdiene genug für meinen eigenen Unterhalt. Und du bist doch wohl nicht so verstockt altmodisch, daß du es deiner Frau verwehren willst, sich selbst zu versorgen?“
    „Nein“, sagte Jörgen. „Ich möchte nur gern…“
    „Ich weiß ganz genau, was du in diesem Augenblick gern möchtest“, sagte Astrid. „Also: Tue es!“
    Timian beobachtete mit Begeisterung, daß sich Jörgens Gesicht wieder dem Astrids näherte. Er sah, daß sie beide die Augen schlossen. Und es wurde so merkwürdig still. Da hielt es Timian für an der Zeit, die beiden Menschen, die er über alles liebte, an seine Existenz zu erinnern. Er stand auf, legte die eine Pfote auf Jörgens Knie, die andere auf Astrids und streckte die Zunge weit heraus.
    Ob er Jörgen oder Astrid traf, wußte er selbst nicht. Aber er war ganz sicher, daß es die Hand seines Herrchens war, die ihn am Halsband ergriff. Auch über die Stimme, die zu ihm sprach, war er sich keinen Augenblick im Zweifel – wenn es auch eine neue, eine glückliche Stimme war, wie er mit seinen empfindlichen Tierohren zu seiner großen Befriedigung feststellen konnte:
    „Nein, danke, Timian! – Aber das besorge ich lieber selbst!“
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