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Gewagt - Gewonnen

Gewagt - Gewonnen

Titel: Gewagt - Gewonnen
Autoren: Berte Bratt
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übrigen kamen wie Perlen auf einer Schnur. Quicklebendig alle miteinander. Das müssen Sie einmal mitmachen, Fräulein Liberg. Sie würden eine großartige Hebamme werden!“
    „Ja, das würde mir Spaß machen! – Wollen Sie nicht eine Tasse Kaffee trinken, bevor wir losfahren?“
    „Hebammen-Kaffee“, lächelte Mostvedt. „Das wäre sehr schön!“
    Astrid führte ihn ins Wohnzimmer, und er sah sich zufrieden um.
    „Wie gemütlich Sie es haben“, sagte er, als sie die Kaffeekanne brachte.
    „Ja, ich habe eine tüchtige Mutter“, sagte Astrid. „Die Zimmer sind zwar nicht groß, aber es ist schön, ein Häuschen für sich allein zu haben, wenn es auch klein ist.“
    „Ja, unbedingt“, stimmte Mostvedt zu. Er ließ sich den Kaffee schmecken und griff tüchtig beim Kuchen zu. „Übrigens ist das Haus nicht direkt winzig“, fügte er hinzu.
    „Ja, doch. Dieses Zimmer und dann ein Eßzimmerchen, Bad, Küche und drei winzige Schlafzimmer. Das ist alles. Ja, und dann ein geräumiger Keller, wenn Sie den auch mitrechnen.“
    „Und ob! Ich hatte meine erste Praxis in einem Keller! Jetzt haben wir es aber feiner, nicht?“
    „Ja, wunderbar. Das sagen ja auch die Patienten. Ich meine: die Besitzer der Patienten.“
    „Die Herrchen und Frauchen“, lächelte Mostvedt. Er stellte die leere Kaffeetasse hin. „Ja, fahren wir dann zu den Kaninchen?“
    Der kleine Wagen fuhr ruhig und gleichmäßig. Astrid genoß dieses seltene Vergnügen.
    „Wissen Sie auch, daß ich Ihnen gegenüber ein etwas schlechtes Gewissen habe?“ sagte Mostvedt, nachdem sie beide eine Weile schweigend ihren Gedanken nachgehangen hatten.
    „Ein schlechtes Gewissen?“ wiederholte Astrid; und sie machte ein so ehrlich erstauntes Gesicht, daß Mostvedt lachen mußte.
    „Ja. Ich annoncierte nach einer Bürokraft – die ich ja auch brauchte –, und nun nutze ich Sie aus! Ich denke dabei natürlich nicht an die saubere, ästhetische Büroarbeit, sondern daß ich Sie mit Blutflecken auf dem Kittel herumlaufen lasse, daß ich Ihre Hilfe in Anspruch nehme, wenn ich bösartige Hunde und fauchende Katzen zu behandeln habe…“
    „Aber das ist ja gerade das Schöne an meiner Arbeit! – Es ist viel amüsanter, als im Büro zu sitzen…“
    „Das mag wohl sein. Aber wissen Sie auch, daß Sie fürchterlich unvorsichtig sind?“
    „Ah bah! Ich habe noch nie vor Tieren Angst gehabt.“
    „Das glaube ich Ihnen. Ich könnte mir ganz gut vorstellen, daß Sie einen ausgehungerten Löwen, der Ihnen in der Wüste begegnete, hinter dem Ohr kraulen und ,Na, Musch?’ zu ihm sagen würden.“
    Astrid lächelte. „Es hört sich sicher wie ein Wahnsinn an, aber ich könnte mir tatsächlich denken, daß ich einen Löwen hinter dem Ohr kraulte. Denn es ist mir einfach nicht möglich, mir vorzustellen, daß ich vor einem Tier Angst haben könnte.“
    Mostvedt nickte. „Sie gehören zu den ungeheuer seltenen Menschen, die als ,Tiermenschen’ geboren werden. Ich kann mich selber beglückwünschen, daß ich Sie erwischt habe. Wissen Sie auch, daß meine Praxis sich recht ansehnlich erweitert hat, seitdem Sie bei mir eingetreten sind?“
    Astrid errötete wieder.
    „Sie dürfen mich nicht so loben… ich… ich…“ Sie errötete noch mehr und verstummte.
    „Weshalb nicht? Man hat keinerlei Hemmungen, wenn man sagen möchte, daß man unzufrieden ist. Warum sollte man da nicht ebenso frei aussprechen, daß man zufrieden – außerordentlich zufrieden ist?“
    Das Auto fraß die Kilometer. Astrid blickte Mostvedt von der Seite an. Es war etwas Neues, neben ihm im Auto zu sitzen und mit ihm über andere Dinge als Abszesse und Impfstoffe und Augenkatarrh zu sprechen. Er sah im weißen Kittel gut aus, aber im gewöhnlichen Anzug noch besser. Der Zugwind, der durch das halboffene Seitenfenster hereindrang, spielte mit seiner Haarlocke. Das sah nett aus. Seine Hände auf dem Lenkrad waren lang, kräftig und schlank, und das vergnügte Lächeln machte sein Gesicht so hübsch.
    Sie hatten beide eine Weile geschwiegen. Da fragte Mostvedt plötzlich: „Was haben Sie eigentlich gemacht, ehe Sie zu mir kamen?“
    „Nichts. Das heißt, ich verrichtete etwas Hausarbeit und wartete darauf, daß sich einmal eine passende Beschäftigung für mich bieten würde. Eigentlich hatte ich zu gar nichts Lust.“
    Astrid sprach langsam und mit gedämpfter Stimme. Sie dachte nicht gern an ihre Mutlosigkeit zurück und an das scheußliche Minderwertigkeitsgefühl, das endlich zu
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