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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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zurückkam, die irgendwoher vom anstößigen Beruf des zweiten Bruders in Wien erfahren hatte, in der Innenstadt etwas Gutes. Vorher, im Zug, hatte er seinen Widerwillen bekämpfen müssen, als die Person, die ihm gegenübersaß, halb Mann, halb Frau, beim Umblättern unter der Brille ein ochsenzungenartiges Organ vorstreckte und den Finger, an dem sie jedesmal vorher mißbilligend roch, damit beleckte. Eine für ihn, Dillburg, errichtete, diabolische Prüfung seiner fundamentalen, aber nicht ungefährdeten Menschenfreundlichkeit.
    Bei dem ihm widerfahrenen Guten handelte es sich am Bahnhof um eine Doppeldemonstration, einerseits, soviel verstand er, gegen Rechtsextremismus, andererseits gegen Immobilienprojekte. Es überschnitt sich. Keiner wußte Genaues und wie die Linien verliefen, aber es gab viel Polizei und »Präsenz staatlicherGewalt«. Blutjunge Paare und gemischte Gruppen standen festlich mit Bierdosen in den Händen rauchend im Dunkel beisammen, sporadisch angestrahlt. Aus den Lautsprechern kam, wie tagsüber, unentwegt klassische Musik.
    Ja, es war ein zeremonielles Fest geworden, die Jugendlichen sprachen mit den jungen Polizisten, alle in imponierender Uniform und Aufmachung. Die verschiedenen Parteien schienen das aneinander zu schätzen, sogar zu bewundern. Schwarzes Leder war auf beiden Seiten bevorzugt. Der Krawall mußte sich woanders befinden. Hier gab es nur glänzende Augen und erregendes Ornament. Mancher Ältere, auch der Geistliche Clemens, wurde wieder jung darüber, hätte sich gern dazugesellt und berauscht am Rebellentum. Wie diese Kinder mit fiebrigen Gesichtern aus der Nacht auftauchten, sich lächelnd hervortrauten, tänzelnd mit der Staatsgewalt sprachen, dann in finster triumphierendem, kindlichem Behagen erneut mit ihren Gruppen verschmolzen!
    Über Dillburg, dem sein Beruf manchmal fast zu schwer erscheint, senkte sich, von der Seite her, eine Art Zuversicht und Stille. Auch hier: Man weiß nicht genau, warum.
In der Nähe der Affen
    Eine Frau namens Herta, die im Leipziger Zoo eine gute Anstellung gefunden hat, auch wenn sie nicht gerade viel Geld dort verdient, im Grunde sogar nur ehrenamtlich tätig, aber zufrieden ist, auch, weil sie ganz in der Nähe der schon in Kindertagen so geliebten Affen arbeiten darf, nämlich in einem der Zoohäuser, die nach heutigen Erkenntnissen nicht mehr zur Tierhaltung geeignet sind, aber unter Denkmalschutz stehen und in denen Informationsmaterial ausgestellt ist über die Verbreitung bestimmter Tierarten rund um den Globus, beklagt ihrer Freundin Ruth gegenüber brieflich nur eine einzige Sache: Es komme wegen des Tierthemas oft zu »so wunderbaren Gesprächenund so unglaublich menschlicher Nähe« und dann sei es wieder vorbei, und die Leute verschwänden für Monate oder für immer.
    Man könne sie ja nicht anketten.
Rätsel
    Welcher berühmte weibliche Filmstar sagte im Dezember letzten Jahres, er wolle noch ein viertes leibliches Kind, dazu vier adoptierte aus verschiedenen Erdteilen und trinke lieber Kaffee als Tee?
Das Geheimnis des Paares
    In der nur im Winter verständlichen Gemütlichkeit, die man im Norden ab November im Handumdrehen herstellen kann, saß der Fotografin Babs Roeland ein Paar gegenüber. Beide waren Mitte vierzig. Sie kannte die unternehmungslustigen, nomadischen Weltbürger, immer treulich in schwarzes Leder gekleidet, schon eine Ewigkeit. Und nun? Noch nie hatten sie Babs mit so bedeutungsvollem Blick angesehen. Was mochten sie auf dem Herzen haben? Die Fotografin begriff im festlichen Kerzenschein nichts von der Feier, zu der man sie geladen hatte.
    Bis sie schließlich damit herausrückten und die ihnen aufgegangene Ungeheuerlichkeit bekannten: »Wir werden älter!«, so der Mann mit Grabesstimme zu dem exklusiven Umsturz. »Älter, Babs, älter!« bestätigte die Frau jene himmelschreiende Fatalität.
    Babs war ein feiner Kerl und rief: »O nein!«
Ein Brief aus Amerika
    »Hier in Amerika«, schrieb Eva Wilkens ihren Eltern, die sie im Berliner Hauptbahnhof zurückgelassen hatte, »gibt es vor allem spazierstockartige Zuckerstangen, weiß-rosa, die nach Pfefferminz schmecken. Das hätte ich nie vermutet: weiß-rosa und dann nach Pfefferminz!«
    Da wunderten sich die Eltern, denn sie kannten solche Süßigkeiten bereits aus ihrer Jugend in Bochum. Wonach sollten die Dinger denn sonst schmecken, selbst in Amerika? Aber schön, daß ihre kleine Familie so zusammenhielt!
Neues aus der Irenenstraße
    Sie sei doch sehr
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