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Gevatter Tod

Gevatter Tod

Titel: Gevatter Tod
Autoren: Terry Pratchett
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noch Sand.
    STOSS ZU.
    Mort hob das Schwert und starrte in glühende Augenhöhlen.
    Er ließ die Waffe wieder sinken.
    »Nein.«
    Tods Fuß trat so blitzartig in Leistenhöhe zu, daß selbst Schneidgut zusammenzuckte.
    Mort krümmte sich stumm zusammen und rollte über den Boden. Tränen quollen ihm in die Augen und verschleierten Tod, der sich ihm näherte, in der einen Hand die Sensenklinge, in der anderen die Lebensuhr seines Lehrlings. Keli und Ysabell wurden verächtlich beiseite gestoßen, als sie danach trachteten, den Knochenmann am schwarzen Umhang festzuhalten. Schneidgut bekam einen Stoß in die Rippen, und der silberne Kerzenhalter fiel auf die Fliesen.
    Nach einigen Schritten blieb Tod stehen. Die Spitze des Sensenschwerts verharrte kurz vor Morts Augen und neigte sich dann nach oben.
    »Du hast recht«, erklang Ysabells Stimme. »Es gibt keine Gerechtigkeit. Es gibt nur dich.«
    Tod zögerte und ließ den Rest der Sense langsam sinken. Er drehte sich um und sah Ysabell an. Seine Adoptivtochter zitterte vor Wut.
    WIE MEINST DU DAS?
    Das Mädchen starrte zum knöchernen Gesicht hinauf, hob die rechte Hand schwang sie zurück, schwang sie zur Seite, schwang sie nach vorn und versetzte dem Knochenmann eine Ohrfeige. Es hörte sich an, als schüttele sie einen Becher mit Würfeln.
    Es folgte eine entsetzlich laute Stille.
    Keli schloß die Augen. Schneidgut wandte sich um und hob schützend die Arme über den Kopf.
    Tod betastete vorsichtig die beinerne Wange.
    Ysabells Brust hob und senkte sich auf eine Weise, für die Schneidgut seine Magie geopfert hätte.
    Tods Stimme klang ein wenig dumpfer und hohler, als er fragte: WARUM?
    »Du hast einmal gesagt, man brächte die ganze Welt in Gefahr, wenn man mit dem Schicksal einer Person herumpfuscht«, erwiderte Ysabell.
    JA?
    »Du hast sein Leben manipuliert. Und auch meins.« Mit einem zitternden Zeigefinger deutete sie auf die Glasscherben am Boden. »Hinzu kommen jene Menschen.«
    NUN?
    »Was verlangen die Götter dafür?«
    VON MIR?
    »Ja!«
    Tod wirkte überrascht. VON MIR KÖNNEN SIE NICHTS VERLANGEN. IRGENDWANN MÜSSEN SELBST DIE GÖTTER MEINEM RUF FOLGEN.
    »Das scheint wohl kaum besonders fair zu sein, oder?« entgegnete Ysabell scharf. »Sind die Götter nicht für Gerechtigkeit und Gnade zuständig?« Sie hatte das Schwert aufgehoben, ohne daß jemand Kenntnis davon nahm.
    Tod lächelte. DEINE BEMÜHUNGEN SIND ANERKENNENSWERT, sagte er. ABER SIE NÜTZEN NICHTS. TRITT BEISEITE.
    »Nein.«
    DIR SOLLTE KLAR SEIN, DASS SELBST LIEBE KEINEN SCHUTZ VOR MIR GEWÄHRT. ES TUT MIR LEID.
    Ysabell hob das Schwert. »Es tut dir leid?«
    AUS DEM WEG.
    »Nein. Du willst dich nur rächen. Und das ist nicht fair.«
    Tod neigte kurz den Kopf, und als er wieder aufsah, irrlichterte es in seinen Augenhöhlen.
    DU WIRST GEHORCHEN.
    »Von wegen!«
    DU MACHST DIESE SACHE RECHT SCHWIERIG.
    »Freut mich.«
    Tods Fingerspitzen trommelten ungeduldig auf der Sensenklinge, und es hörte sich an, als tanzten mehrere Mäuse auf einer Blechdose. Er schien nachzudenken. Er musterte Ysabell, die an Mort herantrat. Er beobachtete Schneidgut und Keli, die an einem hohen Regal kauerten.
    NEIN, sagte er schließlich. NEIN. ICH DARF KEINEN MENSCHLICHEN APPELLEN NACHGEBEN. ICH KANN ZU NICHTS GEZWUNGEN WERDEN. ICH TREFFE NUR DIE ENTSCHEIDUNGEN, DIE ICH FÜR RICHTIG HALTE.
    Er winkte, und eine unsichtbare Hand entriß Ysabell das Schwert. Der Knochenmann vollführte eine zweite, etwas kompliziertere Geste, und daraufhin wurde das Mädchen angehoben und mit sanftem Nachdruck an die nächste Säule gepreßt.
    Mort sah, wie sich ihm die finstere Gestalt näherte und mit dem Sensenrest zum letzten Hieb ausholte. Tod blickte auf ihn herab.
    DU AHNST NICHT, WIE SEHR ICH DAS BEDAUERE, sagte er.
    Mort stemmte sich auf die Ellbogen.
    »Vielleicht doch«, erwiderte er.
    Einige Sekunden lang starrte ihn Tod verblüfft an, und dann begann er zu lachen. Das Geräusch donnerte durchs Zimmer und hallte von den langen Regalen wider. Der Knochenmann lachte noch immer wie ein Erdbeben auf einem Friedhof, als er nach Morts Lebensuhr griff und sie ihm vor die Augen hielt.
    Mort versuchte, sich darauf zu konzentrieren. Das letzte Sandkorn rutschte über die glatte Fläche, zögerte am Rand und fiel in die untere Hälfte. Kerzenlicht spiegelte sich auf den Siliziumfacetten wider, als es sich langsam drehte, lautlos landete und einen winzigen Krater schuf.
    Das Glühen in Tods Augenhöhlen wurde immer heller, bis es
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