Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gevatter Tod

Gevatter Tod

Titel: Gevatter Tod
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
sondern spürte sie eher. Kühle und Dunkelheit wehten heran, und die Musik im Festsaal wurde leise, flüsterte aus einer anderen Welt.
    »Wir haben nicht damit gerechnet, daß du kommst«, wandte sich Mort an die Topfpflanze.
    IMMERHIN GEHT ES UM DIE HOCHZEIT MEINER EIGENEN TOCHTER. UND AUSSERDEM HABE ICH ZUM ERSTENMAL EINE OFFIZIELLE EINLADUNGSKARTE MIT GOLDENEM RAND UND ALLEM DRUM UND DRAN BEKOMMEN.
    »Ja, aber als du bei der Trauung gefehlt hast…«
    ICH HIELT MEINE GEGENWART BEI JENER ZEREMONIE NICHT UNBEDINGT FÜR ANGEMESSEN.
    »Nun, ja, mag sein…«
    EIGENTLICH BIN ICH EIN WENIG ÜBERRASCHT. ICH DACHTE, DU WOLLTEST DIE PRINZESSIN HEIRATEN.
    Mort errötete. »Wir haben darüber gesprochen«, sagte er: »Und gelangten zu folgendem Schluß: Man sollte nichts überstürzen, nur weil man zufälligerweise eine Prinzessin gerettet hat.«
    SEHR WEISE. ZU VIELE JUNGE FRAUEN FALLEN IN DIE ARME DES ERSTEN JUNGEN MANNES, DEN SIE NACH EINEM HUNDERTJÄHRIGEN SCHLAF SEHEN. UM NUR EIN BEISPIEL ZU NENNEN.
    »Ja. Und dann dachte ich, ich meine, nun, nachdem ich Ysabell besser kennengelernt habe…«
    JA, ICH VERSTEHE. EINE AUSGEZEICHNETE ENTSCHEIDUNG. WIE DEM AUCH SEI: ICH HABE BESCHLOSSEN, MEIN INTERESSE FÜR MENSCHLICHE ANGELEGENHEITEN AUFZUGEBEN.
    »Tatsächlich?«
    WOVON MEINE BERUFLICHEN VERPFLICHTUNGEN NATÜRLICH NICHT BETROFFEN SIND. DU WEISST JA: SIE VERLANGEN IN ERSTER LINIE OBJEKTIVITÄT, KEINE ANTEILNAHME.
    Am Rande von Morts Blickfeld erschien eine skelettene Hand, und der Zeigefinger spießte geschickt ein gekochtes Ei auf. Mort drehte sich ruckartig um.
    »Was ist geschehen?« fragte er. »Ich muß endlich Bescheid wissen! In der einen Sekunde standen wir im Langen Zimmer, und in der nächsten befanden wir uns auf einem Feld außerhalb der Stadt. Und wir waren wirklich wir! Ich meine, die Realität wurde geändert, um für uns Platz zu schaffen! Wer ist dafür verantwortlich?«
    ICH HABE MIT DEN GÖTTERN GESPROCHEN. Tod wirkte verlegen.
    »Oh.« Mort überlegte. »Im Ernst?«
    JA.
    »Wie reagierten sie auf deine Fürsprache? Sicher nicht sehr erfreut, oder?«
    DIE GÖTTER SIND GERECHT. UND AUCH SENTIMENTAL. SOLCHE EIGENSCHAFTEN FEHLEN MIR, WIE DIR KLAR SEIN DÜRFTE.
    ABER NOCH BIST DU NICHT FREI. DU MUSST DAFÜR SORGEN, DASS DIE GESCHICHTE STATTFINDET.
    »Ich weiß«, murmelte Mort. »Es geht darum, die Königreiche zu vereinen und so weiter.«
    VIELLEICHT WÜNSCHST DU DIR BALD, BEI MIR GEBLIEBEN ZU SEIN.
    »Zumindest habe ich durch dich eine Menge gelernt«, gestand Mort ein. Geistesabwesend hob er die Hand und strich über die vier dünnen weißen Narben auf der Wange. »Doch ich glaube, ich könnte den Erfordernissen deines Jobs nie ganz genügen. Es tut mir sehr leid…«
    ICH HABE EIN GESCHENK FÜR DICH.
    Tod stellte seinen Teller mit Appetithäppchen ab und griff in eine der vielen geheimnisvollen Taschen seines Umhangs. Als die knöchernen Finger wieder zum Vorschein kamen, hielten sie eine kleine Kugel.
    Sie durchmaß etwa acht Zentimeter. Es hätte die größte Perle auf der Scheibenwelt sein können – wäre nicht das gestaltlose Wallen auf der silbrig schimmernden Oberfläche gewesen. Ständig schien es hier und dort Konturen zu gewinnen, die sich jedoch sofort wieder auflösten und genereller Formlosigkeit wichen.
    Tod ließ den Gegenstand auf Morts ausgestreckte Hand fallen. Er fühlte sich überraschend schwer und warm an.
    FÜR DICH UND DEINE FRAU. EIN HOCHZEITSGESCHENK. EINE ART MITGIFT.
    »Ein wunderschönes Objekt! Wir dachten, der silberne Toastständer sei von dir.«
    ER STAMMT VON ALBERT. ICH FÜRCHTE, ER HAT NICHT VIEL PHANTASIE.
    Mort drehte die Kugel hin und her. Die in ihrem Innern wogenden Formen reagierten offenbar auf die Berührung und schickten dünne Lichtbahnen aus, die über die Oberfläche glitten und nach seinen Fingern tasteten.
    »Ist es eine Perle?« fragte er.
    JA. WENN ZUM BEISPIEL EIN SANDKORN IN EINE AUSTER GERÄT UND NICHT ENTFERNT WERDEN KANN, UMHÜLLT DIE ARME MUSCHEL DEN STÖRENFRIED MIT SCHLEIM UND VERWANDELT IHN SO IN EINE PERLE. DIESES EXEMPLAR HIER STELLT ETWAS GANZ BESONDERES DAR. ES HANDELT SICH UM EINE PERLE DER REALITÄT. DER VERÄNDERLICHE GLANZ DARIN IST WARTENDE WIRKLICHKEIT: DU SOLLTEST SIE EIGENTLICH WIEDERERKENNEN – IMMERHIN HAST DU SIE SELBST GESCHAFFEN.
    Mort warf die Kugel mehrmals hoch und fing sie abwechselnd mit der rechten und linken Hand auf.
    »Wir legen sie zu den Kronjuwelen«, sagte er. »In der entsprechenden Truhe ist noch eine Menge
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher