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Gesundheit, Herr Doktor!

Gesundheit, Herr Doktor!

Titel: Gesundheit, Herr Doktor!
Autoren: Richard Gordon
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du genossen hast. Das Spital ist nun einmal keine technische Schule, die Doktoren produziert, damit sie sich wie Autowerkstättenmechaniker menschlicher Wesen annehmen. Allerdings sieht das Haus jetzt wirklich danach aus», räumte er ein. «Das Gebäude mag funkelnagelneu sein, aber als Institution ist das St. Swithin seit mehr als vierhundert Jahren gut in Schuß. Und ein Teil dieser Geschichte steckt in uns allen.»
    «Vielleicht hätte ich St. Swithin mehr geschätzt, wenn es mich nicht hinausgeworfen hätte», wandte Pip ein.
    «Die durchgefallenen Studenten zählen meist zu den glühendsten Anhängern des St. Swithin. Sie haben es als sonniges Mistbeet aus der Zeit in Erinnerung, bevor sie auf weitem, offenem Feld Erfolg hatten.»
    «Nun, ich hatte auf einem weiten, offenen Feld Erfolg.»
    «Um St. Swithin zu zerstören und alles, wofür es eintritt», hob sein Vater hervor.
    Pip trank einen Schluck Bier. «Und gerade darauf bin ich stolz.»
    «Aber außer dir kein anderer», sagte sein Vater nachsichtig.
    «Ich bin felsenfest davon überzeugt, den richtigen Weg zu gehen.»
    «Was könntest du dem skeptischen Pilatus antworten? Daß die Wahrheit Ansichtssache ist? Zwar ist für den Blinden Schwarz und Weiß dasselbe, und meiner Erfahrung nach leiden die meisten Menschen an Sehfehlern. Deshalb lassen sie sich ja so leicht von den entschlossenen und lautstarken Aktivisten hin und her stoßen. Von Menschen wie du einer bist.»
    «Soll ich dir sagen, wofür - meiner Ansicht nach — das St. Swithin eintritt? Ganz nüchtern und sachlich?»
    «Ich glaube, das bereits den Zeitungen entnommen zu haben. Für Privatpraxis und Auswanderung der Ärzte. Beides willst du stoppen. Indem du zuläßt, daß Patienten mit Herzinfarkt, Appendizitis oder schweren Blutungen mangels Behandlung sterben.»
    «In diesem Punkt ließ ich mich wirklich von meinen eigenen Worten zu weit hinreißen», gab Pip reuig zu.
    «Ich glaube nicht, daß man dich allzu ernstnahm», erwiderte sein Vater leichthin. «Unser Volk ist gegenüber den Gewerkschaftsprahlhänsen, die dem Publikum vor den Fernsehschirmen gerne eine Gänsehaut einjagen, schon recht abgestumpft.»
    «Dad, du hast bis jetzt nur die Symptome meines Kampfes gegen das St. Swithin diagnostiziert. Nicht aber die Umstände, die mich zu diesem Kampf gezwungen haben. In Wirklichkeit wende ich mich gegen etwas Fundamentales. Nämlich gegen die Ärzte, die sich für etwas Besonderes halten, für Leute, die hoch über ihren Mitarbeitern im Volksgesundheitsdienst stehen.»
    Sein Vater nickte. «Schön. Sollen wir noch fundamentaler werden? Auf welche besondere Person kommt es vor allem in einem Spital an?»
    «Auf den Patienten», erwiderte Pip prompt.
    «Und siehst du denn nicht, Pip, daß der Arzt am Krankenbett die wichtigste Person ist, die der Patient in seinem ganzen Leben zu Gesicht bekommt? In den wenigen Minuten der Konsultation wird der Arzt für den Patienten wichtiger als Frau und Kinder. Wichtiger als sein Chef und ganz zweifellos wichtiger als der Premierminister. Und, wenn ich das aussprechen darf, wichtiger sogar als jeder Krankenträger im Spital.»
    Das Wirtshaus blieb leer. Der Mann mit den Hosenträgern stand hinter seinen Bierhähnen und glotzte die beiden an, aus alter Gewohnheit blind und taub und in seine Gedanken verloren, die er, wie er vor langer Zeit Dr. Chipps anvertraut hatte, viel unterhaltender fand als die Gespräche seiner Gäste.
    «Diese Rolle wird vom Arzt nicht gesucht», fuhr Pips Vater fort. «Ärzte sind demütige Leute, trotz der Witze, die man über sie reißt. Denn jeder muß demütig werden, der eine Leiche in Stücke zerschnitzelt und sieht, was für ein lächerlich gebrechliches Ding der Mensch ist. Wir tragen unsere Wichtigkeit zur Schau aus demselben Grund, aus dem wir die meisten Dinge in unserem Leben tun. Um direkt oder indirekt unseren Patienten zu helfen. Unser Rohmaterial ist der schutzlose menschliche Körper, unser Aktienbesitz Leben und Tod. Wir Ärzte sind anders, und wir müssen anders bleiben.»
    Pip trank schweigend einige Züge aus seinem Maßkrug. Dann lächelte er und sagte frohgemut: «Ich weiß schon, wo das alles hinaus soll. Daß du mich, als mein Vater, nämlich anflehst, den Streik abzubrechen. »
    «Ich rate es dir nur. Der Arzt kann nur raten, die Entscheidung liegt immer beim Patienten, auch wenn es seinen Tod gilt. Und manchmal ist der Patient der Klügere von beiden. Aber du könntest heute abend um zwanzig Uhr der
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