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Gesundheit, Herr Doktor!

Gesundheit, Herr Doktor!

Titel: Gesundheit, Herr Doktor!
Autoren: Richard Gordon
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nachdem die königliche Leibwache vorübergeritten ist. Wir müssen doch unseren ausländischen Besuchern ebenfalls gewisse Freiheiten einräumen. Die armen Leute im Mittleren Osten haben nun einmal keine erstklassigen Krankenhäuser. So fliegt jeder, der krank ist und genügend Geld hat, nach London. London ist näher und billiger als New York, und die Londoner Schwestern sind warmherziger. Ihre ausgeprägte Weiblichkeit und ihre kernige Sprache bringen, finde ich immer, einen frischen Wind ans Krankenbett. Harrod’s ist so gut wie Macy’s und unsere Fernsehprogramme sind von besserer Qualität. Wir stecken unausweichlich im ärztlichen Exportgeschäft, Oberin.»
    «Und mich kotzt das Ganze an. Schlimm genug, daß ihre Frauen und Konkubinen überall auf dem Fußboden schlafen, hingestreut wie Bündel von Schmutzwäsche. Ganze Schafe werden im Garten auf dem Rost gebraten -»
    «Nun, auch uns machen Barbecues viel Spaß —»
    «Aber wir verzehren nicht sämtliche Eingeweide der Tiere und die
    Augen dazu. Nun steigen diese Afrikaner und Chinesen, die das ganze Geld der Welt zu haben scheinen, zu Hunderten bei uns ab, ganz zu schweigen von den Franzosen und Italienern, die meiner Meinung nach genauso roh sind und genauso schlecht riechen, wenn auch nach anderen Dingen. Nicht daß ich das Geringste gegen Ausländer als solche hätte!»
    Die Oberin war noch röter angelaufen und zitterte so heftig, daß Sir Lancelot unruhig wurde und einen Tränenausbruch bei ihr befürchtete. Nur zwei Dinge gab es auf Erden, die ihn aus der Fassung bringen konnten: eine weinende Frau und der Geruch roher Zwiebeln. Er wußte, daß die Oberin des Bertram-Bunn-Traktes unschätzbar und unersetzbar war. Er wußte auch, daß sie so heikel wie Meißner Porzellan war und leicht zersprang. Es blieb nichts anderes übrig: Er mußte Glaserkitt anwenden.
    «Liebste, teuerste Oberin, sehen Sie die Sache doch von einer anderen Seite an. Einmal, vor langer, langer Zeit, waren diese Araber sehr darauf erpicht, uns ihr Öl zu verkaufen, und als Draufgabe ihre Mädchen. Ich erinnere mich, einmal in Port Said ein bemerkenswert reiches Angebot davon gesehen zu haben. Jetzt aber, da sie uns fest an den Erdölpumpen hängen haben, ist es verständlich, daß sie sich uns gegenüber genauso gemein und arrogant benehmen, wie wir uns seinerzeit ihnen gegenüber benommen haben. Hat sich das gute alte Britische Empire nicht eine Schlafmütze über die Augen gezogen? Hätten wir doch vor fünfundzwanzig Jahren Mister Mossadeq ein Kanonenboot geschickt», seufzte er. «Aber leider ist Lord Palmerstone so tot wie Queen Anne. Und überdies hätten’s die Amerikaner nie zugelassen, weil sie das Empire für sehr unmoralisch hielten und Mr. Churchill einschärften, es loszuwerden .»
    Doch der Oberin war mehr an Trost gelegen als an einem Musenkuß der Geschichte. «So eine Schande, so eine Vergeudung, wenn dieser herrliche neue Trakt, mit den letzten Errungenschaften der Wissenschaft und der Medizin ausgestattet, auf dasselbe Niveau heruntergezerrt werden soll wie alles andere in diesem Land! Nein, das ertrage ich nicht, nach all diesen Jahren aufopfernder Pflegetätigkeit.» Und schließlich sprengte ihre schrille Stimme das Sicherheitsventil ihrer Selbstbeherrschung. «Auf den Boden machen! Auf das gewichste Parkett!»
    Sie legte ihr blondes Lockenhaupt auf das Revers von Sir Lancelots würdigem schwarzen Jackett und begann zu weinen.
    Sir Lancelot klopfte ihr ermunternd auf den Rücken, als wollte er ein Baby zum Aufstoßen bringen: «In kritischen Zeiten rufe ich mir immer jene Worte des heiligen Augustinus ins Gedächtnis, mit denen er rät: »
    «Oh, Lancelot! Sie sind so kultiviert! Ganz anders als die jüngeren Ärzte.»
    «Ich habe es mir seit dem Tod meiner armen Frau angewöhnt, im Bett zu lesen.»
    «Das muß jetzt wohl sechs Monate her sein.» Sie betupfte ihre Augen mit einem kleinen weißen Taschentuch.
    «Fast ein Jahr schon.»
    «Nein, wie die Zeit vergeht! Ich finde, wenn man mit einem verständnisvollen, mitfühlenden Menschen über das Buch spricht, das man gerade liest, wird dieses Buch noch viel interessanter.»
    Als Sir Lancelot erfaßte, welch grundlegende Änderung das Gesprächsthema erfahren hatte, entzog er sich den Armen der Oberin und fast auch ihrem Büro; doch sie bemerkte es im letzten Moment.
    «Ich bin noch nicht am
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