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Gestaendnis im Orchideengarten

Gestaendnis im Orchideengarten

Titel: Gestaendnis im Orchideengarten
Autoren: Nina Harrington
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Freund von Karaoke?
    Sara blinzelte nervös. Es war sicher keine gute Idee gewesen, Kaplinski-Cocktails zu trinken, nachdem sie die Allergietabletten genommen hatte. Doch er sah sie die ganze Zeit auf eine Art an, die sie verstörte. Hallo, schöner Mann! dachte sie.
    „Mein Fehler“, sagte er galant. „Ah, verstehe: Ich stand der nächsten Dröhnung Schokolade im Weg. Ich kann wohl von Glück sagen, dass ich das überlebt habe.“
    Er bückte sich nach dem Törtchen, das nun ziemlich schmutzig war von den Fusseln auf dem Boden. Als er es in der Hand hielt, floss ihm die Creme über die weißen Vampir-Handschuhe.
    Sara hielt ihm eine Serviette hin. „Ich fürchte, das gibt Flecken.“
    Leo nickte vielsagend und wischte die Creme ab. Dann nahm er sich ein neues Stück vom Tablett und biss hinein. „ Mmmh, Bitterschokolade mit weißer Glasur, gar nicht schlecht.“
    Er nahm das ganze Tablett, verbeugte sich wie ein devoter Kellner und hielt es Sara unter die Nase.
    „Bitte, Miss Golightly, versuchen Sie doch auch eines. Und nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich habe schon einen von Caspars grässlichen Cocktails hinter mir.“
    Sara musste laut lachen. Er hob den Kopf und lächelte sie freundlich an, dabei bildeten sich kleine Fältchen um seine Augen. Sie konnte ihm kaum widerstehen.
    „Wenn noch eins übrig ist, gerne, mein lieber Graf. Wie reizend von Ihnen.“
    Sie nickte mit dem Kopf in Richtung Saal. „Sind Sie bereit für die ganz große Partysause? Ich muss Sie warnen, Helen ist unerbittlich. Alle kommen dran.“
    Er sah sich verschwörerisch um, dann rückte er näher, und sie roch seinen angenehmen Duft. „Därr Fürrrst därr Finstärrnis macht keine Spärränzchen. Niemals. Äss ist nicht elegant.“
    „Wie, kein Ständchen fürs Geburtstagskind?“, fragte Sara und hob die Brauen.
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich habe andere Talente.“ Dann senkte er den Kopf und zischte: „Sämtliche Hunde im Umkreis von hundert Meilen fangen an, den Mond anzuheulen, wenn ich loslege. Ich hab’s ausprobiert. Ich bin absolut unmusikalisch. Will mich heute lieber nicht blamieren.“
    Als Sara etwas erwidern wollte, wurde sie von einem Riesen im Gorillakostüm angerempelt und hätte fast den Teller fallen gelassen.
    „Ich habe eine Idee“, flüsterte sie konspirativ.
    Sie blickte sich um und sah, dass der Ausgang zur Terrasse von der Karaokemaschine versperrt war und Helen bereits dabei war, die ersten Sänger zu rekrutieren. Mist. Ich muss mir was einfallen lassen.
    „Ich kenne einen Geheimausgang zum Garten. Wir könnten zusammen fliehen und draußen in Ruhe essen.“
    Graf Dracula verlor keine Sekunde, griff mit der einen Hand um ihre Taille, mit der anderen seinen Teller und flüsterte: „Ich würde Ihnen bis ans Ende der Welt folgen, Teuerste. Aber machen Sie schnell. Caspar ist im Anmarsch und sucht Opfer. Er ist mit einer Wasserpistole bewaffnet.“
    „Jetzt bin ich aber doch neugierig“, sagte der Ausbrecher zur Ausbrecherin, als sie später auf der großen Terrasse flanierten. Gläserklirren, Gelächter, Musical-Ohrwürmer und erbärmliches Karaokegeträller drangen aus dem Saal herüber. Die Party war in vollem Gang, doch sie hatten es sich in Ruhe draußen schmecken lassen, ganz ohne lästige Satinhandschuhe.
    „Woher kannten Sie diese Geheimtreppe?“
    Wehmütig lächelnd erwiderte Sara: „Ich kenne in diesem Hotel jeden Winkel. Aber das können Sie nicht wissen. Ich bin eine von hier. Im wahrsten Sinn des Wortes.“
    Sie sah seinen verwirrten Ausdruck und sagte beiläufig: „In diesem Haus hier bin ich groß geworden. Kingsmede Manor war mein Elternhaus.“ Sie zeigte auf den ersten Stock. „Sehen Sie das Bogenfenster? Da ganz links mit dem Balkon? Das war mein Zimmer. Von meinem Bett aus konnte ich nachts über die Baumwipfel zu den Sternen sehen. Es war märchenhaft.“
    „Moment mal. Dieses Haus hat Ihrer Familie gehört?“
    „Genau.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich bin der letzte Nachfahre einer Familie viktorianischer Exzentriker, die dieses Haus vor vielen Generationen erbauen ließ. Vor drei Jahren ist meine Großmutter gestorben, und meine Mutter hat alles geerbt.“
    Sie wandte den Kopf ab, damit er die Tränen in ihren Augen nicht sehen konnte. Es tat immer noch weh. „Mom hatte keine Lust, hier zu leben, außerdem waren wir hoch verschuldet und hätten uns nicht leisten können, das Gebäude instand zu halten.“ Sie machte eine Handbewegung, dann
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