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Gesponnen aus Gefuehlen

Gesponnen aus Gefuehlen

Titel: Gesponnen aus Gefuehlen
Autoren: Marah Woolf
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die Wunde, aus der das Blut herauslief. Dann zog sie hektisch die Schubfächer des Nachtschränkchens auf. Sie waren leer. Es musste irgendwo sein. Sie lief zum Schrank und schüttelte ihre dreckigen Sachen aus, in der Hoffnung, dass das Medaillon herausfiel. Doch nur Ruß legte sich als feiner schwarzer Film über den blank gescheuerten Fußboden. Lucy fühlte sich wie betäubt. Sie wankte zum Bett zurück.
    Nur um das Schmuckstück zu holen, war sie in die Bibliothek gegangen. Seinetwegen war Madame Moulin gestorben, so viele Bücher waren Opfer der Flammen geworden und nun war es fort. Nathan musste es gestohlen haben. Vielleicht war das der einzige Grund, weshalb er sie gerettet hatte. Womöglich wollten er und sein Großvater lediglich in den Besitz des Schmuckstückes gelangen. Was würde er damit tun? Würde das Medaillon ihm Einlass in die Geschichte der Hüterinnen gewähren? Würde er es zerstören, wenn es ihm nicht zeigte, wonach er verlangte? Sie hatte nicht gut genug darauf aufgepasst, warf sie sich vor. Sie hatte versagt. Wütend schlug sie auf das makellose Bettzeug und verzog im selben Augenblick das Gesicht. Sie brauchte dringend ein Schmerzmittel und am besten noch eine Schlaftablette. Morgen konnte sie weitersehen. Das war ein Krankenhaus. Was sollte ihr hier geschehen? Sicherlich waren nur ihre Nerven überreizt.
     
    Der lange hellgrün gestrichene Flur, der sich vor Lucy ausdehnte, war menschenleer. Aus dem Raum auf der gegenüberliegenden Seite drangen Stimmen zu ihr. Dort konnte sie nachfragen, ob jemand etwas über den Verbleib ihres Medaillons wusste. Womöglich bewahrte man die Wertsachen der Patienten separat auf, hoffte sie. Sie sah auf den Verband an ihrer Hand, der voll von getrocknetem Blut war. Sie musste aussehen wie ein Zombie. Leise ging sie auf das Schwesternzimmer zu und spähte durch das gläserne Fenster. Sie glaubte, ihren Augen nicht zu trauen.
    Ein riesiger schwarz gekleideter Mann beugte sich über eine der Frauen, die dort vor einem Monitor saß. Er versetzte ihr einen Schlag gegen den Hals und sie sank auf dem Tisch zusammen. Lucy biss in den Verband ihrer Hand, um nicht zu schreien.
    Der zweite massige Mann drehte die andere Schwester in ihrem Stuhl zu sich herum. Lucy sah das Entsetzen in deren Gesicht.
    »In welchem Zimmer liegt Lucy Guardian?«, fragte er.
    Die junge Frau starrte ihn an wie ein verängstigtes Kaninchen.
    »Sag schon!« Er schüttelte sie.
    Der Blick der Frau glitt zu der Glasscheibe, die das Zimmer zum Flur trennte. Orion bemerkte es nicht. Lucy blickte ihr flehend in das angstverzerrte Gesicht.
    »Zimmer 316«, flüsterte sie. Ein kurzer Schlag und auch diese Frau wurde ohnmächtig.
    Lucy drückte sich in eine Türnische und versuchte, ihren Atem zu kontrollieren. Sie waren auf der Suche nach ihr. Ihr Gefühl hatte sie nicht getrogen. Batiste de Tremaine ließ ihr keine Verschnaufpause. Sie sah die Männer in die andere Richtung davonstürmen. Sie hatte nicht viel Zeit. Lucy rannte in ihr Zimmer. Das dumpfe Pochen in ihrem Schädel ignorierte sie. Sie riss ihre Jeans und ihre Jacke aus dem Schrank und stieg umständlich hinein. Dann zog sie ihre Turnschuhe an und öffnete die Tür.
    Die beiden Gorillas waren nicht zu sehen. In welche Richtung sollte sie sich wenden? Der Aufzug schied aus, er lag in der falschen Richtung. Lucys Blick glitt suchend den Flur entlang. Es musste ein Treppenhaus geben. Sie entdeckte das Schild am anderen Ende des langen Ganges. Sie mobilisierte all ihre Kraftreserven und sprintete los. Als sie die Tür zum Treppenhaus aufriss, warf sie einen Blick zurück. Einer der Männer bog um die Ecke. Als er sie sah, brüllte er auf. Lucy verschwand im Treppenhaus. Ihre Lunge stach in ihrer Brust. Lange hielt sie dieses Tempo nicht durch. Sie sprang die Treppe mehr hinunter, als dass sie lief. Sie hoffte, dass sie nicht umknickte und sich einen Fußknöchel brach. Über ihr wurde die Tür aufgerissen. Stampfende Schritte jagten hinter ihr her. Sie waren zu nah. Wo sollte sie hin? Lucy riss eine Tür auf, die in den Wirtschaftstrakt des Krankenhauses führte. Große Wäschekarren säumten den Gang. Doch sie boten ihr keinen Schutz. Das surrende Geräusch von Waschmaschinen war zu vernehmen. Panisch blickte sie sich um. Arbeitete hier auch jemand? Sie rannte den Gang entlang und rüttelte an verschiedenen Türen. Alle waren verschlossen. Ihre einzige Möglichkeit war die Laderampe, die sie am Ende des Weges ausmachte. Wenn sie aus dem
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