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Gesponnen aus Gefuehlen

Gesponnen aus Gefuehlen

Titel: Gesponnen aus Gefuehlen
Autoren: Marah Woolf
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öffnete die Tür.
    »Komm«, schrie sie und rannte mit ihm zum Eingang ihres Hauses. Der schwarze Schatten tauchte in ihrem Blickfeld auf. Sie stieß Colin hinein und schlug die Tür hinter sich zu. Etwas Schweres krachte gegen das Holz, das jedoch nicht nachgab. Erschrocken sah Colin sie an.
    »Was war das, Lucy?«
    »Das glaubst du mir nie«, antwortete sie, ohne ihre angstgeweiteten Augen von dem Türblatt zu nehmen, das von der Erschütterung nachbebte.
    Jules und Marie kamen die Treppe heruntergelaufen.
    »Was war das?«, fragte Marie ihrerseits. »Ich dachte, das Haus stürzt ein.«
    »Hat das Taxi dich bis in den Flur gefahren?«, mutmaßte Jules.
    »Das erzählt sie euch gleich«, sagte Colin, er scheuchte die Mädchen nach oben und verschloss sorgfältig die Wohnungstür.
    »Dafür bist du uns eine Erklärung schuldig. Tauchst hier mitten in der Nacht auf …«, forderte Marie und schüttelte ihre Locken.
    Lucy antwortete nicht, sondern lehnte sich an die Wand und atmete tief durch. Sie schloss die Augen und wartete, dass die Anspannung nachließ.
    Jules packte sie und verfrachtete sie auf einen Stuhl in der Küche. Tiger sprang auf ihren Schoß und kuschelte sich ein. Lucy vergrub ihre Hände in seinem Fell.
    »Trink was«, forderte Jules und drückte ihr ein Glas in die Hand.
    Lucy schüttelte sich, als der scharfe Whisky ihre Kehle herunterrann.
    »Hab dich nicht so«, sagte ihre Freundin. »Das weckt im Nu deine Lebensgeister. Was tust du hier? Du gehörst in dein Bett ins Krankenhaus. Abgesehen davon siehst du aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
    Colin kam in die Küche zu den Mädchen. »Er ist weg«, vermeldete er.
    »Wer?«, fragte Jules, doch Colin ignorierte die Frage.
    Er setzte sich Lucy gegenüber. »Was ist passiert?«, fragte er.
    »Sie sind im Krankenhaus aufgetaucht. Ich wollte ins Schwesternzimmer gehen, da habe ich sie gesehen. Sie haben eine der Schwestern bewusstlos geschlagen und die andere gefragt, in welchem Zimmer sie mich finden. Ich glaube, sie hat mich durch die Scheibe gesehen und ihnen eine falsche Nummer gesagt. Damit hatte ich einen Vorsprung und konnte fliehen. Aber es war so knapp. Ich wusste nicht, dass ich so schnell laufen kann.«
    »Ich verstehe kein Wort«, sagte Marie. »Wer sind sie ?«
    Lucy wechselte einen Blick mit Colin.
    »Ich bin da in etwas Merkwürdiges reingeraten.« Sie sah ihre Freundinnen an. »Es ist gefährlich und es ist besser, wenn ihr nichts darüber wisst. Es reicht, dass ich Colin da mit reingezogen habe.«
    »Vergiss es, Lucy. Du erzählst uns auf der Stelle, was los ist. Wir können auf uns selbst aufpassen«, forderte Jules. Ihr Blick schwenkte zu Colin, als erwartete sie von ihm Unterstützung.
    Dieser wandte jedoch seine Augen nicht von Lucy.
    »Wenn Colin Bescheid weiß, wollen wir es auch wissen«, unterstützte Marie die Forderung ihrer Freundin.
    »Mit den Leuten ist nicht zu spaßen«, wandte Lucy ein. »Sie haben das Feuer gelegt, in dem ich fast verbrannt bin.«
    Marie riss die Augen auf. »Das ist Quatsch, Lucy. Niemand konnte im Archiv ein Feuer legen. Das war ein Kabelbrand oder irgendwas Ähnliches.«
    Lucy schüttelte den Kopf.
    »Jetzt erzähl schon«, forderte Jules. »Du kommst uns sowieso nicht davon.« Sie goss Whisky in drei weitere Gläser und knallte eins vor Colins Nase auf den Tisch. Überrascht sah dieser auf.
    »Sag du auch mal was«, fauchte Jules ihn an.
    Doch Lucy nickte bereits resigniert. »Aber ich habe euch gewarnt«, sagte sie und wickelte den blutigen Verband ihrer rechten Hand ab, unter dem ihr Mal zum Vorschein kam. Obwohl die Hand rund herum Spuren der Verbrennungen aufwies, war das Mal selbst unversehrt.
    Fasziniert betrachteten Marie und Jules das Zeichen, das Lucy bisher vor ihnen verborgen hatte. »Seit ich denken kann, habe ich dieses Buch auf meinem Handgelenk. Früher nahm ich an, dass es eine Tätowierung ist. Seit ich in London bin, hat es ein Eigenleben entwickelt.«
    Lucy blickte in verständnislose Augen. »Es ist ein bisschen verrückt, aber ihr müsst mir glauben, dass ich mir das nicht ausgedacht habe.«
    Und dann erzählte sie von den Büchern und den Stimmen, die sie hörte. Sie schilderte ihren Freundinnen, wie sie herausgefunden hatte, dass die Bücher mit ihr sprachen und sie um Hilfe gebeten hatten. Sie berichtete von den leeren Büchern und davon, dass die Menschen diese Texte und deren Autoren vergaßen. Sie ließ sich weder von den erstaunten Ausrufen noch von den
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