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Geschlossene Gesellschaft

Geschlossene Gesellschaft

Titel: Geschlossene Gesellschaft
Autoren: Robert Goddard
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sollte ich sie nicht dazu bringen, mich zu hassen und Quincy zu vertrauen? Sie hatte Max oft betrogen und das hier verdient. Sie hatte ihr Recht auf Wahrheit verwirkt. Und meines ebenfalls. »Ich habe getan, was du von mir hättest erwarten sollen. Ich habe meinen Preis genannt. Und Faraday hat ihn bezahlt.«
    »Mein Vater hat sein Leben geopfert, damit du mit diesen Unterlagen entkommen konntest«, stellte sie gedehnt fest. »Und du hast sie einfach verkauft.«
    »Richtig.«
    »Verstehe.« Sie ging schwankend zur Schlafzimmertür und lehnte sich dort gegen den Türrahmen. Dabei ließ sie mich nicht aus den Augen. »Ich verstehe alles. Jetzt endlich.«
    »Wirklich?«
    »Du hast ihn verraten, nicht wahr? Du hast sie zu ihm geführt.« »Vielleicht.« Ich zuckte mit den Schultern, froh darüber, dass sie selbst einen Teil der Fiktion erfand. »Ich schuldete deinem Vater nichts.«
    »Und sie haben natürlich besser bezahlt. Besser, als er oder ich jemals gekonnt hätten.«
    »Genau. Geld überdauert Wahrheit und Schönheit. Es wächst, während die anderen Dinge schwinden.«
    »Bastard«, murmelte sie.
    »Nenn mich, wie du willst. Aber du kannst mich nicht Mörder schimpfen, nicht wahr? Du kannst mich Schlimmeres schimpfen, aber nichts, was du nicht bereits bist.«
    »Du hast ihn getötet, nicht wahr?«
    »Habe ich das?«
    »Antworte.«
    »Nein. Das werde ich nicht.« Ich schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich habe es satt, meine früheren Taten rechtfertigen zu müssen. Vor allem dir gegenüber.«
    Plötzlich sprang sie, angespornt durch den Widerhall ihrer eigenen Worte, ins Schlafzimmer. Ich konnte sie nicht mehr sehen. Als ich die Tür erreichte, beugte sie sich gerade über ihre Tasche, die auf dem Nachttisch lag. Dann wirbelte sie zu mir herum und hob dabei die Derringer in ihrer Hand. Die hatte ich unter dem Druck der Ereignisse vollkommen vergessen. Nicht aber Diana. Und sie zielte genau auf mich.
    »Nein! Um Himmels willen! Ich habe gelo...«
    Sie drückte mit entschlossener Miene auf den Abzug, doch es ertönte nur ein Klicken. Und als sie erneut abdrückte, klickte es wieder. Sie schaute auf den Lauf hinab und schnitt eine wütende Grimasse. Ich sah, dass sie dasselbe dachte wie ich. Quincy oder Vita hatte die Waffe entdeckt und die Patronen entfernt, zweifellos, um Diana vor sich selbst zu schützen. Aber es war ihnen nur gelungen, mich zu retten.
    Langsam durchquerte ich das Zimmer, nahm ihr die Waffe weg und steckte sie in meine Jackentasche. Diana atmete noch schneller als ich; offenbar war sie von ihrer Fehleinschätzung schockiert, war verwirrt von zwei Erfahrungen, auf die sie in ihrem bisherigen Leben nur schlecht vorbereitet worden war: Scheitern und Frustration. »Das war Glück«, sagte ich so gelassen wie möglich. »Für uns beide.«
    »Verschwinde hier«, sagte sie. Ihre Stimme klang bezwungen und gleichzeitig gebieterisch.
    »Mit Vergnügen.«
    »Und bleib mir für den Rest der Reise vom Leib.«
    »Keine Sorge. Ich verlasse das Schiff in Cherbourg. Du wirst mich bald los sein. Für immer.«
    Zum ersten Mal seit ihrem Versuch, mich umzubringen, schaute sie mich an. Der Wutanfall war vorbei. Und der Wunsch war nicht mehr stark genug, es erneut zu versuchen. Aber der Hass blieb, gemischt mit dem ersten Aufkeimen von etwas anderem, weit weniger Einfachem. »Gerade eben«, sagte sie langsam, »wolltest du mir sagen, dass du gelogen hast, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Aber das wäre auch nicht wahr gewesen, oder?«
    »Selbstverständlich.« Sie wollte mir glauben. Sie musste es einfach. Aber in ihrem Blick bemerkte ich ihren Zweifel, einen schwachen Verdacht, dass ich sie irgendwie hereingelegt haben könnte. Und die Erkenntnis, dass sie es niemals erfahren würde. »Wie hätte es das auch sein können.«
    Sie wandte sich ab und ging ans Fenster. Sie hielt die Hände vor sich verschränkt und schaute hinaus. Mir wurde beim Anblick ihrer Schultern klar, dass sie vorhatte, so lange stehenzubleiben, wie ich blieb, und sich nicht umsehen würde, bis sie sicher war, dass ich gegangen war. Das war das Ende zwischen uns. Keiner hatte gewonnen. Aber es hatte auch keiner seine Niederlage eingestanden. Außer vor sich selbst. »Was sonst«, fügte ich noch hinzu, als ich mich zur Tür umdrehte, »hättest du dir vorstellen können?«
    Ich ging an Deck zurück und warf die Derringer über die Reling in die schäumenden Fluten. Dann drehte ich einige Runden über die verlassene Promenade, wünschte mir, dass die
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