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Geschlossene Gesellschaft

Geschlossene Gesellschaft

Titel: Geschlossene Gesellschaft
Autoren: Robert Goddard
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Reise schon vorüber wäre und Diana und ich mehr als nur einige Türen und Mitreisende zwischen uns hätten.
    Obwohl ich überzeugt war, sie würde ihre Kabine erst verlassen, wenn sie wusste, dass ich von Bord gegangen war, zog ich mich in die Männern reservierte Ecke des Rauchsalons zurück. Die großen Fenster boten einen majestätischen Ausblick auf den Bug und etwas später, als es in Sicht kam, auf Cherbourg. Zunächst hatte ich den Salon für mich allein, und obwohl die Cocktailliste als Referenz an die Prohibition nur Köstlichkeiten wie Sarsaparilla und Lemon Soda anbot, servierte mir der Steward Manhattans, so starke und so oft ich wollte.
    Ich hatte gerade mit dem dritten angefangen, als ein korpulenter und bedrohlich liebenswerter Amerikaner sich neben mir in einen Sessel fallen ließ. »Noch ein Passagier«, verkündete er. »Sie sind ein seltener und höchst willkommener Anblick, Sir. Ich habe diese Lounge da unten, die man Gesellschaftssalon nennt, bis zur Verzweiflung abgeklappert.«
    »Tatsächlich?«
    »Allerdings. Und »Gesellschaft« ist nicht gerade das passende Wort dafür.«
    »Nein?«
    »Sie sind Brite, richtig?« Er musterte mich prüfend.
    »Ja«, erwiderte ich zurückhaltend.
    »Und so, wie Sie klingen, sehr gut erzogen. Die Klassiker. Griechische Mythologie. Der ganze Kram.«
    »Nun... ich nehme an...« »Dann können Sie mir vielleicht helfen. Ich habe eben die Bilder an der Wand dieses Raumes für Ruhesuchende betrachtet.« Er lachte und wartete vergeblich darauf, dass ich einstimmte, und fuhr dann unerschrocken fort: »Es sind im ganzen vier. Sie stellen die Story der Pandora dar, hat man mir gesagt. Kennen Sie die? Die Büchse der Pandora?«
    »Ich kenne sie.«
    »Nun, ich fragte mich gerade, was...« Er brach ab, als der Steward sich näherte, und stieg in meiner Wertschätzung, als er sich einen großen Jack Daniels bestellte. »Ich fragte mich folgendes: Sie wurde neugierig und öffnete die Schachtel, nicht wahr?«
    »Mehr oder weniger.« Wie Charnwood, dachte ich plötzlich. Einfache Neugier hatte ihn dazu gebracht zu tun, was er tat. Der Wunsch zu erfahren, was unter dem Deckel mit der Aufschrift KRIEG stand.
    »Und heraus flatterte... alles Schlechte der Welt?«
    »All die Bosheiten der Menschheit, ja. Alter. Krankheit. Verrücktheiten. Lust. Gier. Eifersucht. Und alles andere.«
    »Wovon die Menschheit bis dahin frei war?«
    »Ja.«
    »Also... Was wäre passiert, wenn sie sie nicht aufgemacht hätte?«
    »Sie nicht herausgelassen hätte.«
    »Richtig.«
    »Nun, wir würden nicht davon geplagt werden, nicht?«
    »Wir würden diese Dinge, von denen Sie geredet haben, nicht kennen? Alter, Krankheit, Verrücktheiten, Gier und so weiter?«
    »Genau.«
    »Das Leben wäre... vollkommen?«
    »Ja. Bis auf...« Schlagartig wurde es mir klar. Charnwood hatte die Welt am Rand eines Krieges stehen sehen und hatte sie hinüber geschubst. Und wenn er es nicht getan hätte, wäre die Welt nicht vom Abgrund zurückgetreten. Am Ende wäre sie doch hinabgestürzt. »Nun, wenn Pandora die Büchse nicht geöffnet hätte«, hob ich wieder an, »hätte jemand anderes es getan.«
    »Es gab keine Hoffnung, die Büchse könnte für immer versiegelt bleiben?«
    »Nicht wirklich.« Ich lächelte über die unbeabsichtigte Ironie in seinen Worten. »Wissen Sie, Hoffnung war eine Eigenschaft, die in der Büchse geblieben ist.«
    Mein Gefährte runzelte die Stirn. »Warum musste die Hoffnung weggeschlossen bleiben?«
    »Weil sie immer lügt. Und, wie nicht anders zu erwarten war: Als sie schließlich befreit wurde, hat sie die Menschheit getäuscht und ihr den Glauben suggeriert, man könne die anderen Bosheiten überwinden. Selbstverständlich ging das nicht, aber dies zu glauben ließ die Bosheiten wenigstens erträglich scheinen.«
    »Also hat die Hoffnung letztlich doch etwas Gutes getan?«
    »Könnte man so sagen.« Als der Steward zurückkehrte, schaute ich an ihm vorbei auf den verhangenen Himmel hinter dem Fenster. Er war grau und weit und leer wie meine Zukunft. Und dennoch... »Vermutlich beweisen wir diesen Punkt dadurch, dass wir trotz aller schrecklichen Heimsuchungen hartnäckig optimistische Sterbliche sind.«
    »Tun wir das?«
    »Nun, selbst wenn das Schlimmste geschieht... hoffen wir immer noch auf das Beste.«
    »Darauf werde ich trinken.« Er lächelte und hob das Glas, um mich einzuladen, mit ihm anzustoßen. Was ich tat. Mehr hoffend, selbstverständlich, als erwartend. Vier Stunden
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