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Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei
Autoren: Hans Fallada
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und der Lehrer sagte schon ganz ungeduldig:
     »Na, wird’s nun bald –?! Das ist ein ganz leichtes Wort!«, da war’s dem Murkel, als spräche etwas ganz leise neben ihm das
     Wort.
    Der Lehrer rief ungeduldig: »Willst du mal nicht vorsagen, Ursel!«
    Aber darum brauchte sich der Lehrer nicht zu sorgen: Was die Ursula Hantig sagte, dahin hörte der Murkel gar nicht. Auf das
     Träumlein hörte er. Und das Träumlein flüsterte lautlos, mit dem Mund an seinem Ohr, ja, es war beinahe, als flüstere sie
     es inwendig: »H und o macht ho – eine Silbe! H und e macht he – andere Silbe! Eine Silbe ho, andere Silbe he …«
    »Hohe Heuhaufen!« rief der Murkel laut.
    »Das wurde aber auch Zeit«, sagte der Lehrer. »Setze dich!«
    Und der Murkel setzte sich, ganz rot, nicht etwa, weil er sich schämte, sondern weil er so glücklich war. Er war aber |148| so glücklich, weil ihm Träumlein geholfen hatte, und er fühlte genau, das Träumlein gab es wirklich. Der Vater hatte recht,
     es war in ihm und um ihn, auch ein Kind war nie allein.
    Es kam eine Zeit in dem Leben der Kinder, da wurde der alte Hund Peter sehr krank. Die Haare fielen ihm aus, und er bekam
     Geschwüre über den ganzen Leib. Wenn die Kinder an seine Hütte liefen und fragten: »Wie ist es, Peter, der Vater geht mit
     uns aus – kommst du nicht mit?«, da hob der alte Hund mühsam den Kopf und sah die Kinder traurig mit seinen trüben Augen an
     und wedelte ein kleines bißchen mit seinem Schwanz.
    Da fragte der Vater: »Wer von euch will hierbleiben und dem Peter ein wenig Gesellschaft leisten?«
    Aber keines wollte es, nicht der Murkel, nicht die kleine Mücke.
    »So müssen wir heute ganz ohne unsere Geschwister Windwalt und Träumlein gehen«, sagte der Vater. »Denn die bleiben nun hier.
     Das wird kein schöner Spaziergang.«
    Und das wurde es auch wirklich nicht. Soviel die Kinder dem Vater auch zu erzählen hatten, mit der Zeit verstummten sie. Sie
     sahen über ihre Schultern, sie sahen rechts, sie sahen links – es war nur die Luft da, mit dem Sommerwind darin. Die war auch
     sonst da, doch sonst wußten sie, das Träumlein und der Windwalt waren in der Luft. Aber diesmal waren sie es nicht, diesmal
     waren die beiden daheim beim kranken Hunde Peter. – Und auch der Plischi schlich nur traurig mit und sprang nicht lustig wie
     sonst voraus, auch ihm fehlte sein Gefährte, der Peter.
    Da drängten die Kinder, nach Haus zu kommen, so fehlten ihnen Windwalt und Träumlein. Als sie aber auf den Hof traten, war
     da ein Herr im weißen Mantel, das war der Tierdoktor, der sagte: »Ja, nun ist der alte Hund gestorben.«
    Murkel und Mücke fingen an zu weinen, und nun tat es ihnen erst recht weh, daß sie nicht bei ihrem alten Freunde geblieben
     waren und daß sie ihm nicht adieu gesagt hatten.
    |149| Sie begruben den Peter unter vielen Tränen auf der Wiese am Wasser, und am Abend fragten sie, ein jedes seinen Gefährten,
     wie es mit Peter gewesen war, und sie hörten alles, Murkel von Träumlein, Mücke von Windwalt. Nun waren sie schon nicht mehr
     so traurig, denn es war ihnen, als seien sie doch ein ganz klein bißchen dabeigewesen.
    So lebten die vier gemeinsam, und sie erlebten so viele Dinge miteinander, daß es gar nicht zu erzählen ist. Da war das eine
     Mal, daß die Kinder heimlich ins Boot gestiegen waren, und die kleine Mücke fiel ins tiefe Wasser und konnte doch nicht schwimmen.
     Der Murkel schrie, aber der Windwalt rannte wie der Wind, und der Vater kam aus dem Haus geschossen, schneller als eine Schwalbe,
     und holte die Mücke aus dem Wasser.
    Ein anderes Mal waren die Kinder in die Priesterfichten gegangen, um die Nester von den alten Krähen hinunterzuschmeißen,
     die den ganzen Herbst und Winter zu Hunderten um das Haus krächzten, daß es ein Grausen war. Da verstieg sich der Murkel in
     einer Fichte und konnte nicht vor und zurück, und vor Hilflosigkeit und Angst fing er an zu brüllen. Die kleine Mücke aber
     lief aus Schreck fort. Da saß der Murkel nun oben, und die Krähen krächzten und schwirrten immer näher. Er meinte, vor Furcht
     zu vergehen, und hoffte, es käme jemand, der ihm hülfe. Es kam aber keiner.
    Schließlich besann er sich auf das Träumlein, und sofort hörte er auch ihre leise Stimme, die immer war, als spräche sie in
     ihm. Sie wies ihm einen Aststumpen, auf den er den Fuß setzen konnte, einen Zweig, an dem Halt war. Sie sagte: »Mach nun die
     Augen zu, Murkel, und rutsch!« Und er
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