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Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Titel: Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)
Autoren: Janine Kunze
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verschnörkelt waren. In jedem Glied saß ein grüner Stein. Die Steine waren gewölbt und wenn man darüberfuhr, fühlten sie sich an wie flache, kühle Beulen. Ich beruhigte mich. Oma hatte sicher recht: Alles war gut.
    Plötzlich rauschte und platschte es im Gehege. Die junge Giraffe pinkelte. Aber es war, als würde jemand einen Eimer hinter ihr ausschütten, wie ein Wasserfall! Oma und ich mussten laut lachen und konnten fast nicht mehr aufhören. Als wir uns wieder beruhigt hatten, fragte Oma:
    »Was hältst du davon, wenn wir Juvi am Sonntag nach Ostern noch mal besuchen und nachsehen, wie viel sie bis dahin gewachsen ist?«
    Ich rechnete nach und zählte die Tage an den Fingern ab. Übernächsten Sonntag?
    »Aber da ist doch meine heilige Erstkommunion!«, rief ich. Wie konnte sie das denn vergessen?
    Sie grinste: »Ach sag bloß! Da ist deine heilige Erstkommunion? Was wünschst du dir denn zu deiner heiligen Erstkommunion?«
    An ihrem Grinsen sah ich, dass sie mich bloß veräppeln wollte. Sie hatte die Kommunion gar nicht vergessen und ich war mir sicher, dass sie schon längst ein Geschenk für mich hatte. Es waren schließlich bloß noch zehn Tage bis zu meinem großen Fest. Und ich hatte mir schon lange ein Barbie-Schaumbad von Oma gewünscht. Aber ich wollte keine Spielverderberin sein und sagte: »Eine Giraffe!«
    »Na, aber ob deine kleine Oma dir so etwas Großes schenken kann, ich weiß nicht«, sie zog die Augenbrauen hoch und schüttelte den Kopf.
    »Ich meine doch eine aus Stoff!«, sagte ich und lachte.
    »Ach so, alles klar. Das ist eventuell möglich. Die kann deine winzige Oma ja vielleicht gerade noch so tragen«, sagte sie und lachte auch.

Kommunion
    Lass dich durch nichts erschrecken und verliere nie den Mut; denn ich dein Gott bin bei dir, wohin du auch gehst.
    JOSUA 1,9
    Ich sah als Einzige nicht aus wie eine Sahnetorte. Alle anderen Mädchen hatten Kleider, die verziert waren mit Rüschen, Spitzen und Bändern, manche sogar mit Reifrock oder mit ganz bauschigen Puffärmeln. Sie hatten Kränze oder Krönchen im Haar. Mama hatte gesagt, dass solche Kommunionskleider eher aussehen wie Karnevalskostüme, sie fand das nicht gut. Mein Kleid war bodenlang, weiß und schlicht. Es gefiel mir sehr. Ich war neun, schon fast erwachsen, dachte ich, als ich mit meiner weißen Kerze mit dem roten Kreuz darauf in der Reihe mit den anderen Kindern stand und darauf wartete, dass der Gottesdienst begann. Viele der Kinder kannte ich aus der Schule oder aus dem Kindergottesdienst. Die meisten waren wie ich in der dritten Klasse, manche aber auch schon in der vierten.
    Noch nie hatte ich mich so auf Ostern gefreut wie dieses Jahr. Weil eine Woche später »Weißer Sonntag« war und das hieß: meine heilige Erstkommunion. An Ostern letztes Wochenende waren wir auch viel in der Kirche gewesen: An Karfreitag, in der Osternacht und am Ostersonntag. Aber das war trotzdem etwas ganz anderes als heute. Denn heute ging es um mich.
    Mama und ich hatten beschlossen, dass es besser war, wenn ich nicht in ihre Kommunionsgruppe ging, sondern in die ihrer Freundin. Sonst würde vielleicht jemand denken, ich würde bevorzugt oder sie müsste besonders streng mit mir sein. Auch wenn sie nicht beide Gruppen selber leiten konnte, war Mama diejenige, die bei den Kommunionsvorbereitungskursen alles in der Hand hatte. Sie dachte sich die meisten Ausflüge aus, organisierte alles und hatte immer neue Ideen. Am besten hatte mir das Brotbacken mit den Zigeunern gefallen. Auch Papa hatte mitgemacht. Hinter unserer Kirche gab es einen freien Platz, auf dem eine Gruppe von Sinti und Roma, wie die Zigeuner eigentlich hießen, wohnen durften, wenn sie wollten und in der Gegend waren. Obwohl sie anders lebten und auch ein bisschen anders aussahen, waren sie genauso wie wir. Alle Menschen waren eine Gemeinschaft. Damit wir das spürten und verstanden, hatten Mama und ihre Freundinnen aus der Kirchengemeinde ein gemeinsames Brotbacken organisiert. Auf großen Tischen kneteten wir die Teiglaibe nach der Anleitung der Sinti-und-Roma-Frauen und schoben sie anschließend in den selbstgebauten Ofen. Zum Schluss spielten ein paar der Sinti-und-Roma-Männer Geige und sangen dazu.
    Am zweitbesten fand ich den Ausflug nach Maria Laach, den wir alle zusammen im Februar, direkt nach Karneval, gemacht hatten. Meine Schwestern waren beide Jahre vorher schon in Maria Laach zur Kommunionsfreizeit gewesen. Kerstin hatte mir die besten Tipps gegeben. Z.
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