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Gesang des Drachen

Gesang des Drachen

Titel: Gesang des Drachen
Autoren: Claudia Kern
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Mann, der ihn rekrutiert hatte, auf seinen Bericht wartete.
    Die Gänge waren leer, einige Türen aus den Angeln gerissen worden. Hinter ihnen sah Peddyr zertrümmerte Stühle und ausgeräumte Schränke. Nach dem Angriff auf den Schattenlord hatten die Gläubigen das Labyrinth gestürmt und sinnlos gewütet. Was sie nicht zerstört hatten, wurde geplündert.
    Peddyr zählte die Schritte zwischen den Abzweigungen, die er nahm. Das Labyrinth aus Gängen und Höhlen führte tief in den Berg hinein. Er bezweifelte, dass es jemanden gab, der es vollständig erkundet hatte. Vielleicht hatte er deshalb jedes Mal Angst, sich zu verlaufen, sein Ziel nicht zu finden oder, schlimmer noch, den Ausgang.
    Obwohl er wusste, wo er den Mann finden würde, der ihm seinen Auftrag erteilt hatte, zuckte Peddyr erschrocken zusammen, als dieser sich aus den Schatten einer kleinen Höhle löste.
    »Wie geht es dir heute Morgen, Peddyr?«, fragte Bricius.
    »Gut.« Unwillkürlich drehte der Junge sich um. Bricius war der einzige der Iolair-Anführer, der sich dem Schattenlord ergeben hatte, die anderen waren geflohen. Seitdem wurde er bewacht, aber anscheinend nicht sehr gut, denn er war bislang zu jedem ihrer Treffen erschienen.
    »Fällt niemandem auf, dass du weg bist?«, fragte Peddyr nervös. »Folgen sie dir nicht?«
    Das Laub auf Bricius' Kopf raschelte, dann lächelte der Elf. Im diffusen Licht, das die Steine abgaben, wirkte sein Gesicht blass und müde. »Sie glauben, dass ich in der Hütte schlafe, die sie mir zugeteilt haben. Menschen lassen sich leicht blenden. Solange sie mir keine Elfen als Bewacher zuteilen, kann ich kommen und gehen, wie es mir beliebt.«
    Er ging Peddyr einen Schritt entgegen. »Also mach dir keine Sorgen. Solange dir niemand folgt, sind wir nicht in Gefahr.«
    »Niemand wird mir folgen. Ich bin doch unsichtbar.«
    »Genauso ist es.« Bricius nickte. »Was haben du und deine Freunde seit unserem letzten Treffen erfahren?«
    »Einiges.« Peddyr konzentrierte sich einen Moment, dann zählte er auf, was sich seit dem Vortag ereignet hatte. »Ciar hat Kopftuchträger gesehen, die den Flüchtlingen predigen. Die meisten hören freiwillig zu, aber diejenigen, die gehen wollen, werden aufgehalten und mit Stöcken zurückgetrieben. Duibhin sagt, dass die Sittenpolizei Einheiten bildet, die für Ordnung auf dem Markt sorgen und Diebe fangen. Die Leute dort finden das gut. Und Marcas beobachtet weiter die Kinder, die Rimmzahn in die Höhle am Fluss gebracht hat. Sie werden dort von Gläubigen unterrichtet.«
    »In welcher Weise unterrichtet?«, fragte Bricius.
    Peddyr hob die Schultern. »Das hat er nicht gesagt, aber ich werde ihn fragen.«
    Marcas war der Seltsamste seiner Freunde, ein Krakenwesen, das sich nur unbeholfen an Land fortbewegen und kaum sprechen konnte. Er konnte zwar Luft atmen, aber seine Tentakel waren zu schwach, um den Körper außerhalb des Wassers länger zu stützen, und seine Haut trocknete in der Sonne rasch aus. Trotz allem ging er seinen Aufgaben mit dem größten Enthusiasmus nach und schilderte Peddyr sogar telepathisch, was er beobachtet hatte, obwohl ihn das sehr anstrengte.
    »Das könnte wichtig sein.« Bricius sah ihn an. »Was hast du zu berichten?«
    »Dass immer mehr zu den Gläubigen überlaufen. Es sind bestimmt schon Hunderte. Und heute Morgen haben sie Karren mit Waffen und Rüstungen aus dem Labyrinth gebracht.«
    »Es war zu befürchten, dass sie unsere Waffenkammern früher oder später entdecken würden.«
    Peddyr schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass sie nach ihnen suchen mussten. Es sind Iolair zu den Gläubigen übergelaufen.«
    Einen Moment lang schwieg Bricius, als müsse er über diese Neuigkeiten erst nachdenken. Dann atmete er tief durch. »Dann ist die Gefahr, in der wir uns befinden, noch größer, als ich befürchtet hatte. Wir müssen handeln, bevor sie sich besser organisieren und den Krater wirklich in ihre Gewalt bekommen.«
    »Aber das haben sie doch schon.«
    »Nein.« Bricius lächelte müde. »Das glauben sie nur. Sie sehen die friedliche Oberfläche, an der sich niemand gegen sie wehrt und alle tun, was sie sagen. Doch wie stark der Widerstand ist, der darunter brodelt, ahnen sie nicht.«
    Er nickte Peddyr zu, als wolle er ihm sagen, dass auch er Teil dieses Widerstands war. Das machte ihn stolz. »Aber die Iolair, die übergelaufen sind, wissen das. Sie verstehen, wie man kämpfen muss, wenn man weder genügend Leute noch Waffen hat. Wir
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