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Gesang des Drachen

Gesang des Drachen

Titel: Gesang des Drachen
Autoren: Claudia Kern
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nicht bemerkt.«
    »Meinen Messias?« Frans wischte sich die Tränen aus den Augen. Seine Hände zitterten. »Willst du etwa behaupten, dass es mehr als einen gibt?«
    Simon verzog das Gesicht. Er hatte einen Fehler begangen, und das wusste er auch. »Ich möchte mich mit dir nicht über Personalpronomen streiten. Wenn es dir lieber ist, nenne ich ihn unseren Messias.«
    Emma kniete bereits neben ihm, und nach einer weiteren Geste von Simon schloss Cedric sich ihr widerwillig an.
    »Aber du glaubst nicht, dass der Schattenlord unser Messias ist, oder?«, fragte Rimmzahn. Als seine Stimme über den Platz hallte, stöhnten einige Gläubige auf, während andere, vor allem die Elfenflüchtlinge, die sich in immer größerer Zahl dem Kult anschlossen, mit der Stirn den Boden berührten, um ihre Ehrerbietung zu bekunden.
    »Was ich glaube, spielt keine Rolle.«
    Cedric war sich nicht sicher, ob das die beste Antwort war, aber er respektierte es, dass Simon vor der völligen Selbstverleugnung zurückschreckte. An seiner Stelle hätte er ebenso reagiert, nur mit deutlicheren Worten.
    Rimmzahn lächelte. Die Arroganz, die darin lag, widerte Cedric an.
    »Ganz im Gegenteil, Elf. Nur der Glaube spielt hier noch eine Rolle.« Die Gläubigen wichen kriechend zurück, während ihr Prophet sich einen Weg durch die Menge bahnte. Die dunkle Gestalt hing an ihm wie ein Schatten. »Vielleicht hast du ja recht, und es gibt mehr als nur einen Messias.«
    Ein Raunen ging durch die Menge. Die Gläubigen wirkten verstört.
    »Das habe ich nicht gesagt.« Simon hob die Hand wie ein Schüler im Klassenzimmer. »Nur weil ich den Schattenlord als Messias ablehne, heißt das nicht, dass ich einen eigenen habe.«
    »In diesem Fall«, fuhr Rimmzahn fort, als habe er ihn nicht gehört, »wird dein Messias sicherlich deine Gebete erhören, so, wie meiner es getan hat, und dir helfen. Dir und den anderen Ungläubigen.«
    Er hob die Arme. Cedrics Mund wurde trocken. Das läuft aus dem Ruder.
    Simon sprang auf. »Warte! Du hast mich missverstanden.«
    Rimmzahn reagierte nicht. Nur einige Kopftuchträger erhoben sich und schnitten ihn von den Suchern ab, als erwarteten sie Ärger. Die Gestalt des Schattenelfen wurde einen Moment lang durchscheinend, dann, plötzlich, schrie jemand. Nur eine Sekunde später schwebte einer der Ungläubigen, ein junger Mann namens Micah, den sie alle kannten, aus der Menge empor. Er strampelte und schlug um sich, als wehre er sich gegen den Griff eines Unsichtbaren. Er stieg immer höher, fünf Meter, dann zehn, fünfzehn.
    »Wo ist dein Messias?«, rief Rimmzahn. »Zeig ihn mir!«
    Die Luft begann zu knistern. Cedric schmeckte die Magie, die sich um ihn aufbaute, und erkannte, dass Simon einen Zauber wob. Er sprang auf, aber Emma kam ihm zuvor. Mit einem Satz riss sie Simon zu Boden.
    »Wenn du eingreifst«, stieß sie hervor, »wird er uns umbringen. Er wartet nur darauf.«
    Es blitzte in Simons Augen. Magische Funken sprangen über seine Fingerspitzen. Cedric hörte Micahs Schreie, zwang sich jedoch dazu, nur auf Simon zu achten. Emma hatte recht. Nicht einmal mithilfe der Iolair hatten sie den Schattenlord besiegen können. Wenn sie allein eingriffen, würden sie sterben.
    Micah schwebte hoch über dem Platz. Die Blicke der Gläubigen und Ungläubigen richteten sich auf ihn.
    »Ich sehe deinen Messias nicht!«, rief Rimmzahn. Der Triumph in seiner Stimme war unüberhörbar. »Aber meiner steht direkt neben mir.«
    Cedric drückte Simons Hände nach unten, presste sie auf den Boden. Die Funken knisterten und knackten. Die Magie, die in ihnen lag, ließ den Staub tanzen.
    »Er wird uns töten«, sagte Cedric mit all der Eindringlichkeit, die er aufbringen konnte. »Dann können wir niemandem mehr helfen.«
    Simon biss die Zähne zusammen. Sein Gesicht verzerrte sich, als wolle er all das, was sich in ihm angesammelt hatte, auf Rimmzahn werfen, doch dann erstarben die Funken, und das elektrische Knistern verschwand aus der Luft.
    »Ich weiß.«
    Er hob den Kopf. »Wir haben keinen Messias!«, rief er. »Und wir bedauern, jemals an der Macht des Schattenlords gezweifelt zu haben. Vergib uns.«
    Frans applaudierte, andere Gläubige schlossen sich ihm an. Erst als sie sahen, dass Rimmzahn immer noch mit erhobenen Armen reglos dastand, hörten sie auf und richteten ihren Blick auf ihn.
    »Nein«, sagte er.
    Und ließ die Hände sinken. Micah schrie ein letztes Mal. Sein Sturz kam Cedric endlos vor. Er wandte den Blick ab,
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