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Gesang des Drachen

Gesang des Drachen

Titel: Gesang des Drachen
Autoren: Claudia Kern
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er Maurice, der aus seiner Hütte getreten war und sich nun unsicher umsah. Seit er Rimmzahn verraten und ihn in die Falle der Sucher gelockt hatte, schnitten die Gläubigen ihn. Doch niemand tat ihm etwas, sogar seine Hütte hatte er behalten dürfen. Cedric hielt das für psychologische Folter. Maurice sollte sich Tag und Nacht fragen, wann ihn die Strafe für seine Tat ereilen würde.
    Er seufzte. »Nein, eher nicht. Er würde alles tun, um seinen Verrat ungeschehen zu machen. Schattenlord hin oder her, Maurice vergöttert Rimmzahn.«
    »Dann ist es wohl doch nicht so einfach, die Guten von den Bösen zu unterscheiden, oder?«, fragte Emma.
    Cedric hieb den nächsten Ast mit nur einem Schlag durch. »Rede nicht mit mir, als wäre ich blöd. Es gibt einige, denen wir trauen können, das weißt du ganz genau.«
    Zu seiner Überraschung schüttelte sie den Kopf. »Ich wünschte, es wäre so, aber sieh dir mich an. Ich bin erpressbar, und ich weiß nicht, wie ich reagieren werde, sollte Rimmzahn diese Karte eines Tages ausspielen.«
    Es war Cedric klar, dass sie von Reggie sprach. Sie und der Mensch waren ein Paar.
    »Du magst ihn wirklich?«, fragte Simon. Er wirkte ebenfalls überrascht. »Du bist nicht nur mit ihm zusammengekommen, weil du dich besser in die Menschenwelt eingliedern wolltest?«
    »Nein.« Sie hob beinahe hilflos die Schultern. »Ich liebe ihn. Ich hatte schon überlegt, mir eine Seele wachsen zu lassen.«
    Simon fuhr sich mit der Hand durch das Gesicht. »Das ist ein Problem.«
    Es verwunderte Cedric, wie ruhig er blieb. Vielleicht lag es daran, dass dies nur einer von vielen Rückschlägen war, die sie in den letzten Wochen erlitten hatten. Die Sucherin, die sich hinter der Clownsmaske aus Porzellan verborgen hatte, war vom Schattenlord getötet worden, der Träger der Kristallmaske hatte sich immer noch nicht zu erkennen gegeben, obwohl sie seine Hilfe in dieser Situation hätten brauchen können, und alles, was sie geplant hatten, war gescheitert.
    Simon hatte sich vielleicht bereits daran gewöhnt, Cedric nicht. »Dann sollten wir nicht mehr mit dir reden«, sagte er an Emma gewandt. »Das ist für uns alle zu gefährlich.«
    Sie hob beschwichtigend die Hände. »Nein, ich möchte immer noch dabei sein. Ich möchte helfen. Sagt mir nur nicht mehr, als ich unbedingt wissen muss.«
    Cedric warf Simon einen kurzen Blick zu, doch der Elf, der in seiner Menschenexistenz Software programmiert hatte, wirkte abgelenkt, als sei er mit den Gedanken woanders. Er konzentrierte sich auf einen Punkt irgendwo hinter Cedric.
    »Glaubt ihr, dass das der Schattenlord ist?«, fragte er zusammenhanglos.
    Emma und Cedric drehten sich gleichzeitig um. Ein Raunen strich über den Platz wie eine Brise, als auch andere entdeckten, was Simon sah.
    Rimmzahn stand vor seiner Hütte. Die lange weiße Kutte, die er trug, wehte um seinen Körper. Er schien abgenommen zu haben, wirkte beinahe hager. Das dunkle Wesen neben ihm, der Schattenelf, wie Cedric und die anderen es mittlerweile nannten, schwebte einige Zentimeter über dem Boden. Seine Gesichtszüge waren nicht zu erkennen, verschwammen, sobald man den Blick darauf richtete, und doch war seine Präsenz stärker und machtvoller als die des Menschen, der ihn begleitete. Diffuse Fäden aus dunklem Nebel verbanden die beiden miteinander.
    »Prophet.«
    »Herr.«
    »Messias.«
    Die Gläubigen flüsterten und raunten. Sie legten ihre Arbeit nieder und sanken auf die Knie. Die meisten senkten die Köpfe, nur wenige sahen Rimmzahn und den Schattenelfen an. Frans gehörte zu ihnen. Tränen liefen über sein Gesicht; er wirkte so beglückt, dass er Cedric für einen Moment leidtat.
    »Ich glaube, er ist eine Gestalt, die der Schattenlord angenommen hat«, sagte Emma leise, »aber wie viel von ihm wirklich darin steckt, weiß wohl niemand.«
    »Rimmzahn könnte es wissen.« Simon klang nachdenklich. Cedric wandte den Blick von dem Schattenelfen ab. Er hatte einiges in seinem Leben gesehen, aber die seltsam verschwommene dunkle Gestalt bereitete ihm körperliches Unbehagen. Ihm wurde beinahe übel, wenn er sie zu lange ansah.
    »Du kannst ihn ja fragen«, sagte er, um sich abzulenken. »Ich bin mir sicher, dass er ...«
    »Warum kniet ihr nicht?«, rief Frans wütend von der Mitte des Platzes. Die Gläubigen fuhren zusammen, Cedric seufzte.
    »Ein Versehen«, sagte Simon. Er nickte Cedric und Emma auffordernd zu, während er bereits auf die Knie ging. »Wir haben deinen Messias
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