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Gesang der Rosen

Gesang der Rosen

Titel: Gesang der Rosen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wollen«, antwortete dieser.
    »Der Tag war ja auch schön«, sagte der Schmied etwas nachgiebig.
    »Er ist noch schön«, erklärte André, und es fiel ihm nicht auf, daß er den Ärger des Schmiedes damit wieder anheizte. »Nach dem Essen wollen wir noch einmal hinaus, vielleicht zur Kiesgrube.«
    »So – wollt ihr das?«
    »Ja, es kann sein, daß ich noch andere Dinge im Boden finde. Ich will sie sammeln und nach Avignon zum Geschichtlichen Museum bringen. Sie zahlen dort gute Preise für solche Ausgrabungen.«
    »Und was willst du mit dem Geld machen?« fragte Tergnier und freute sich, daß sich so das Gespräch ohne Schwierigkeiten plötzlich in die erwünschte Richtung entwickelte.
    »Ich möchte mir damit einen Herzenswunsch erfüllen, nämlich einmal nach Paris fahren.«
    »Was willst du?« Marcel Tornerre sah seinen Sohn entgeistert an, dann blickte er hinüber zu Yvonne, die ebenfalls ganz konsterniert war. »Nach Paris willst du? Was willst du in Paris?«
    »Ich möchte in der Staatsbibliothek einmal alle Originale der bisher aufgefundenen Troubadourlieder sehen.«
    Marcel Tornerre und seine Frau sagten darauf nichts. Ihre Blicke begegneten sich. Sie lächelten einander an. Ein Jugendtraum, dachten sie nachsichtig, eine Sehnsucht jungenhafter Schwärmerei. In ihnen schwand die Furcht vor dem Wort, das sie zweimal gehört und seitdem tausendfach verflucht hatten, das Wort von Soldaten, von der Garnison Paris, dem Sammelplatz der Gladiatoren, die in der Arena von Verdun verblutet waren. Nun waren es nur die Troubadoure, die Liebesritter eines Jungen, dem der Menschenfrühling in den Gliedern sproß … und sie lächelten und blickten einander an und dachten an die eigene Phantasie vor vierzig Jahren, an jenen kurzen Lebensabschnitt, den man im Alter wie einen süßen Traum der Erinnerung genießt.
    Der Schmied aber fand diese Antwort Andrés ungeheuerlich und vermessen. Sein einfaches Herz fand nicht zum Zaubergarten seiner Jugend zurück. Das war auch ganz natürlich, denn wenn er sich schon einmal in einer stillen Stunde den Erinnerungen widmete, sah er nur Ruß und Eisen, Feuer, Hammerschläge, Prügel und karges Essen. Dazwischen blinkte ganz selten einmal ein Sonnenstrahl, den schnell der Staub der väterlichen Schmiede wieder aufsog. Jetzt blickte er die Küstersleute knurrend an, sah sie vor sich hinlächeln, brummte etwas von »Erziehung zum Wahnsinn« und »meine Tochter aber nicht« und stand polternd auf, ein Berg muskulösen Fleisches und fingerdicker Sehnen, plump und urweltlich wie ein Mammutjäger.
    »Geh meinetwegen nach Paris und schluck den Staub der dicken Schwarten, wetz dir die Hosen durch und phantasiere, während dich das Leben dauernd ohrfeigt. Wahrscheinlich merkst du nie, daß die Welt Männer braucht, keine Träumer.«
    »Die Troubadoure waren Männer!« rief der Junge laut, und seine Gestalt straffte sich, als wollte er dem Schmied zeigen, wie dieser die Dinge vollkommen einschätzte. »Sie kämpften mit dem Schwert genausogut wie sie die Laute schlugen. Und sie kämpften für das Recht und für die Ehre der Frauen.«
    Der Schmied, dem ein Knabe in solcher Weise noch nicht entgegengetreten war, schwankte zwischen Erstaunen und Zorn. Doch als er den Küster und seine Frau mit stolzen Augen den Sohn betrachten sah, drehte er sich um, riß die Tür fast aus den Angeln und stampfte aus der Stube.
    »Die werden noch verrückt mit dem! Von zweien haben sie sich sagen lassen, daß Heldentum die höchste Ehre des Mannes sei, und die beiden haben ins Gras gebissen. Der dritte verdreht ihnen den Kopf mit solchen Flausen – naja, was geht's mich an«, schimpfte er draußen vor sich hin.
    Als er vor der Haustür den heißen Wind, der von den Hügeln herabstrich, im Gesicht spürte, blieb er noch einmal stehen, blickte sich kurz um und brummte: »Aber mein Mädel lasse ich mir nicht verrückt machen. Und wenn ich sie an den Amboß schmieden muß; die wird eine Tergnier mit Eisen in den Knochen. Da soll der Teufel doch dreinschlagen!«
    Dann strebte er mit weiten Schritten seiner Schmiede zu, und wo er hintrat, starb das Gras unter seinen schweren Tritten.
    *
    Im Küsterhaus saß André zwischen seinen Eltern am Tisch und löffelte die Suppe. Man schwieg, sah sich gegenseitig nur verstohlen von der Seite an und widmete der Suppe mehr Aufmerksamkeit, als sie verdiente.
    »Du solltest einmal auf den Feldern mithelfen«, sagte Vater Tornerre nach langem Schweigen zu seinem Sohn. »Das ist gesund
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