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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung
Autoren: Megan MacFadden
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sterben, als mitanzusehen, wie Gorian sie um seinetwillen demütigte!
    Erst um die Mittagszeit, als einige der Nachtschattenkrieger schon halbblind vorantaumelten, ordnete Gorian eine kurze Rast in einem schattigen Tannenwäldchen an. Dann führte Marian sie durch ein breites Tal, vorbei an mehreren Dörfern der Menschen, die den Zug der Nachtschatten nicht sehen konnten und die junge Fremde erstaunt anglotzten, die anscheinend vollkommen allein ihres Weges zog.
    »Weiß eigentlich jemand, wohin wir laufen?«, murrte einer der Krieger in Darions Nähe.
    »Seit still!«, flüsterte ein anderer.
    »Der Herr der Nachtschatten wird es wissen. Das reicht.«
    »Aber es ist die verdammte Lichtelbin, die den Weg vorgibt!«
    »Das wird seinen Grund haben.«
    »Es ist nicht die Lichtelbin. Es ist das Amulett, das sie um ihren Hals trägt.«
    »Irgendein Zauber wird es sein. Der Herr der Nachtschatten wird ihn bannen.«
    »Hoffentlich tut er es bald! Meine Augen …«
    »Ruhe! Wollt ihr, dass sie uns melden?«
    Jetzt hatte Darion Gewissheit. Natürlich! Das Amulett der Elbenkönigin enthielt einige Tropfen der versiegten Quelle, und dieses Wasser strebte zu dem Ort, an dem es einst geflossen war. Dieses Geheimnis musste im Elbenbuch gestanden haben, und Sereno, dieser misstrauische Gauner, hatte es gewusst, wollte es Marian aber wohl erst im letzten Moment sagen.
    Gegen Abend erreichten sie jenes Gebirge, in dem die Schlacht zwischen Aladions und Gorians Kriegern stattgefunden hatte. Hier in dieser Gegend – so hatte Sereno behauptet – müsste man nach der Quelle forschen.
    Gorian war vorsichtig, er schickte mehrere Spähtrupps aus, um herauszufinden, ob Aladion sich noch in der Nähe aufhielt, und erst als ihm gemeldet wurde, man hätte niemanden entdecken können, befahl er weiterzuziehen. Seine Krieger waren den ganzen Tag über marschiert, dennoch war ihnen kaum Erschöpfung anzumerken, zumal jetzt das Tageslicht schwand und die anbrechende Dämmerung ihnen frische Kräfte bescherte. Die Stimmung der Nachtschatten hob sich, aus irgendeinem Grund schienen alle das Gefühl zu haben, sich dicht vor dem Ziel zu befinden.
    Vielleicht lag es daran, dass Marian einige Male ihre Stimme hören ließ, und selbst die spöttischen Krieger Gorians hoben die Köpfe und lauschten andachtsvoll dem süßen Klang. Wie ein silberner Fluss durchzog ihr Lied den Wald, malte zarte Lichtstreifen in die Dämmerung und vergoldete die rötlichen Knospen der Eichen. Auch Darion war wie verzaubert und glaubte, zwischen den Bäumen und im Dickicht kleine Lichter zu erblicken, als hätte dort jemand eine Kerze aufgestellt. Wenn er jedoch die Stelle genauer ins Auge fasste, schwand das Licht, und es blieb nur ein grauer oder brauner Schatten. Es war schwer zu erkennen, weil die Lichtlein, so klein sie auch waren, die Augen der Nachtschatten dennoch unangenehm blendeten. Darion war bald davon überzeugt, dass es sich bei diesen Erscheinungen um Waldgeister handeln musste, möglicherweise Gnome oder Baumelfen, die den Zug der Nachtschatten durch ihr Reich mit Misstrauen verfolgten. Angreifen würden diese Naturwesen sie ganz sicher nicht, gegen die mächtigen gut bewaffneten Nachtschatten waren sie machtlos.
    Die Zeit verrann, doch die Abenddämmerung wollte nicht in nächtliche Finsternis übergehen. Immer wieder zeigte sich der volle Mond zwischen den Wolken und tauchte die Landschaft in sein blasses, milchiges Licht. Der Zug der Krieger hatte den Wald verlassen und folgte jetzt einer von Gräsern und Büschen fast zugewucherten Rinne, die nur die glatt gewaschenen Steine und Kiesel als Bachbett zu erkennen gaben. Der ausgetrocknete Bachlauf führte sie in ein schmales Seitental, von hohen Felswänden umgeben, das die Nachtschattenkrieger mit Unbehagen betraten. Darion konnte sie gut verstehen – falls am anderen Ende dieses Tälchens kein Weiterkommen war, saß Gorian mit seinen Kriegern hier in der Falle.
    Das Tal mutete selbst die Nachtschattenkrieger gespenstisch an. Tote Baumgerippe ragten empor, reckten den Ankommenden ihre bleichenden Zweige wie dürre Arme entgegen, und ihre schwarzen Mondschatten verdoppelten die Zahl der insektenhaften Ungeheuer. Das verdorrte Holz moderte nicht, es wuchs weder Moos noch Gras darüber, auch schien es keinerlei Getier als Unterschlupf zu dienen.
    »Was für ein widerwärtiger Ort!«, murmelte jemand dicht neben Darion.
    »Hoffentlich sind wir bald hindurch!«
    Es war nicht einfach, sich zwischen den
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