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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung
Autoren: Megan MacFadden
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abgestorbenen Bäumen zu bewegen, denn die Äste verhakten sich in den Kettenhemden der Krieger. Viele zogen ihre Schwerter, um sich den Weg frei zu schlagen, doch das tote Holz erwies sich als eisenhart, und wo es doch gelang, ein Stück abzuhauen, quoll eine Flüssigkeit rot wie Blut aus der Wunde.
    Darion hatte Mühe zu laufen, da die Stricke an seinen Fußgelenken ihm hinderlich waren. Immer wieder erhielt er zornige Stöße und Tritte von seinen ungeduldigen Bewachern, als er jedoch stürzte, fingen ihn die Äste auf, ohne ihn zu verletzen.
    Man hatte sich bereits eine gute Weile durch das störrische Holz gekämpft, da kam der Zug ins Stocken.
    »Was ist los?«
    »Das Tal endet dort bei der Felswand.«
    »Das war doch schon längst zu vermuten.«
    »Ruhe!«
    »Bringt den Gefangenen vor den Herrn der Nachtschatten!«
    Man stieß Darion voran, fluchte über seine Langsamkeit, konnte nicht begreifen, weshalb die verdammten Äste ihn ganz offensichtlich verschonten, während einige der Krieger bereits Löcher in ihren Kettenhemden davongetragen hatten.
    Das Tal wurde von einem gewaltigen Felsblock verschlossen, ein heller Stein, der im Mondlicht schwach glitzerte und einigen der Nachtschatten Augenschmerzen bescherte. Gorian erwartete seinen Gefangenen dicht vor dem Felsen stehend, von seinen Getreuen umgeben, sein bleiches Gesicht leuchtete im Mondschein wie frischer Schnee.
    »Haltet ihn gut fest!«
    Jetzt erst, da die Krieger auf Gorians Befehl zurücktraten, erblickte Darion Marian. Sie stand ruhig vor dem schimmernden Fels, sah an der steilen Wand hinauf und lächelte, weil der runde Mond direkt über ihnen stand. Dann ging sie mit langsamen Schritten zu der Felswand und berührte sie mit der ausgestreckten Hand. Ein Licht ging von ihr aus und erfüllte den Stein, brachte ihn zum Leuchten, und im gleichen Augenblick blinkten überall im Tal zwischen den toten Baumästen Tausende von winzigen Feuern.
    Den Nachtschatten erschien dies bedenklich, man vernahm Gemurmel, es wäre besser dieses verfluchte Tal zu verlassen, weil es hier nicht geheuer wäre. Doch eine einzige Armbewegung des Herrschers ließ sie verstummen.
    »Hier also?«, fragte Gorian, und seine Stimme zitterte vor Ungeduld.
    »Hier an dieser Stelle«, gab Marian ruhig zurück.
    »Wenn du mich betrügst, Elbin, wird dein Geliebter es zu spüren bekommen!«
    Sie hob den Kopf, in ihrem Lächeln lag unendliche Verachtung. Darion erschien sie jetzt fremd, als hätte er sie nie gekannt, als hätte sie niemals in seinen Armen gelegen und ihm ihre Liebe gestanden. Sie war die Königin der Lichtelben, ein Wesen voller Kraft und Hoheit, die rechtmäßige Nachfolgerin Eolins.
    »Ich betrüge dich nicht, Gorian. In diesen Felsen ist die Quelle des ewigen Lebens eingeschlossen.«
    Sie zog das Amulett unter dem Mantel hervor, und die Nachtschattenkrieger zischten erschrocken, denn die kleine Phiole verbreitete einen feurigen Schein.
    Gorians kleine dunkle Augen überflogen die Schar seiner Krieger, und alle wussten, dass jedes Zeichen von Sorge oder gar Angst eine strenge Strafe nach sich ziehen würde. Man stand schweigend, wartete, was geschehen würde.
    »Wenn du unsere Abmachung einhältst, Elbin, dann siehst du und dein Volk einer glücklichen Zeit entgegen.«
    »Gewiss.«
    »Versuchst du aber, mir das meine vorzuenthalten, dann wird dein Geliebter eine Verwundung erleiden, die euer Liebesglück für immer trüben wird. Bedenke, dass die Schwerter meiner Krieger auf ihn gerichtet sind!«
    »Ich sehe es, Herr der Nachtschatten.«
    Sie sprach leise und sah Gorian dabei ins Gesicht, doch er war nicht in der Lage, den Blick der hellen Elbenaugen zu erwidern. Mit einem ärgerlichen Zischen wandte er sich ab, trat ein Stück von der hell schimmernden Felswand zurück und hob seinen Arm.
    »Beginne!«, rief er laut und herrisch.
    Ein helles Lachen war die Antwort. Es flirrte durch das dämmrige Tal, schien sich in blitzendes Licht zu verwandeln und wurde von den Felswänden tausendfach zurückgeworfen. Darion sah, wie die Schwerter in den Händen seiner Bewacher zu zittern begannen, und auch er selbst wurde von der Magie der Klänge und Lichter erfasst. Die Windbräute hatten ihm die Wahrheit gesagt, die er nicht hatte glauben wollen. Es war das Elbenbuch, das Marian die Kraft verlieh, ihren Auftrag zu erfüllen.
    Sie warf den Kopf in den Nacken, als sie die ersten Töne sang, denn sie galten dem Fels, der dieses Lied seit Jahrhunderten nicht mehr vernommen hatte.
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