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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1
Autoren: Strugatzki Boris
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Himmel hing hier tief und schien sonderbar schwer; er hatte nicht jene heitere Transparenz, die von der Unendlichkeit des Universums zeugt und von der Vielzahl seiner bewohnten Welten. Es war ein geradezu biblisches Firmament, still und undurchdringlich. Und gleichmäßig phosphoreszierend. Gewiss ruhte dieses Himmelsgewölbe auf den mächtigen Schultern eines hiesigen Atlas. Maxim suchte am Himmel nach dem Loch, das sein Raumschiff beim Durchbrechen geschlagen haben musste, doch es war keines da. Er entdeckte lediglich zwei große schwarze Kleckse, die allmählich zerliefen, wie Tuschetropfen in einem Wasserglas. Maxim stieß die Luke ganz auf und sprang hinaus in das hohe trockene Gras.
    Die Luft war heiß und schwül. Es roch nach Staub und altem Eisen, nach zerdrücktem Grün, nach Leben. Nach Tod roch es auch, einem lange vergangenen, nicht mehr fassbaren … Das Gras reichte Maxim bis zum Gürtel; in der Nähe sah er die dunklen Umrisse verwilderten Gebüschs und trostlose, verkrüppelte Bäume. Es war beinahe hell - wie in einer lichten Mondnacht auf der Erde, doch es fehlten die Schatten und der zartblaue Schein des irdischen Mondlichts. Alles
wirkte grau, staubig und öde. Das Schiff stand inmitten eines riesigen Talkessels mit sanft abfallenden Hängen; ringsum erhob sich das Gelände bis hinauf zum verschwommenen Horizont. Aber eines war merkwürdig: Ganz in der Nähe strömte breit und ruhig ein Fluss, und er floss nach Westen … einen der Abhänge hinauf.
    Maxim ging um das Raumschiff herum und strich mit der Hand über die kühle, etwas feuchte Oberfläche. Die Spuren der Einschläge fand er exakt an den Stellen, wo er sie erwartet hatte: Eine unangenehm tiefe Beule unter dem Indikatorring; sie war entstanden, als das Schiff erst jäh nach oben gerissen und dann zur Seite geworfen wurde. Dadurch fiel der Kyberpilot aus und Maxim musste die Steuerung kurzerhand selbst übernehmen. Die Kerbe neben dem rechten Sensorenblock, einem der »Augen« seines Schiffs, entstand zehn Sekunden später, als das Schiff kopfüber nach unten stürzte und dann sozusagen auf einem Auge blind wurde. Wieder sah Maxim zum Himmel. Die schwarzen Flecken waren jetzt kaum noch zu sehen. Ein Meteoriteneinschlag in der Stratosphäre: ein Ereignis mit einer Wahrscheinlichkeit von null Komma null null … Aber jedes potenziell mögliche Ereignis, scheint es auch noch so unwahrscheinlich, muss wohl irgendwann einmal eintreten.
    Maxim zwängte sich in die Kabine, schaltete die Steuerung auf automatische Reparatur und setzte das Expresslabor in Gang. Dann machte er sich auf den Weg zum Fluss. Sicher, dachte er bei sich, eine abenteuerliche Geschichte das Ganze - und dennoch irgendwie Routine, langweilig. Bei uns in der GFS sind sogar die Abenteuer alltäglich: Meteoritenattacke, Strahlenbeschuss, Havarie bei der Landung; Havarie bei der Landung, Meteoritenattacke, Strahlenbeschuss - das sind die Abenteuer dieses Metiers, physischer Nervenkitzel, nichts weiter.
    Das trockene hohe Gras knisterte unter Maxims Füßen, stachlige Samen bohrten sich durch seine Shorts. Mit lautem
Surren schwirrte eine Wolke moskitoähnlicher Insekten heran, waberte vor seinem Gesicht und verschwand wieder. Erwachsene, ernst zu nehmende Menschen, dachte Maxim, würden nie zur Gruppe für Freie Suche gehen. Sie befassen sich mit erwachsenen, ernstzunehmenden Dingen und wissen, dass all die unerforschten Planeten im Grunde ziemlich gleich sind. Ermüdend gleich. Gleich ermüdend. Sicher, wenn man zwanzig ist, nichts richtig kann und nicht einmal weiß, was man gerne können würde, wenn man das kostbarste Gut, die Zeit, noch nicht zu schätzen weiß und besondere Talente weder vorhanden noch zu erhoffen sind, wenn man mit seinen zwanzig Jahren immer noch Hände und Füße einsetzt anstatt seinen Kopf, und wenn man zudem noch so dumm ist zu glauben, auf fremden Planeten könne man ganz Phantastisches entdecken, etwas, das es auf der Erde nicht gibt, wenn, wenn, wenn - ja, dann, natürlich. Dann nimm den Katalog der GFS zur Hand, schlag eine beliebige Seite auf, tippe mit dem Finger auf eine beliebige Zeile und fliege los. Entdecke einen Planeten, benenne ihn nach deinem Namen und bestimme seine physikalischen Eigenschaften. Kämpfe mit Ungeheuern, sofern vorhanden. Tritt mit Fremden in Kontakt, falls solche zu finden. Oder spiele ein bisschen Robinson. Es ist auch nicht alles vergebens: Nein, man wird dir danken und sagen, du hättest einen großen Beitrag
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