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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1
Autoren: Strugatzki Boris
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war, und begann nachzudenken.
    Das Wichtigste habe ich gefunden: eine Straße. Sie ist uralt, grob hingeschustert und in schlechtem Zustand, aber immerhin eine Straße. Und auf allen bewohnten Planeten führen die Straßen zu denen, die sie gebaut haben. Was fehlt mir? Zu essen brauche ich nichts. Ein bisschen Hunger habe ich zwar, doch das sind die niederen Instinkte, die kann ich unterdrücken. Wasser brauche ich frühestens in vierundzwanzig Stunden. Luft zum Atmen gibt es hier genug, wenn man einmal vom hohen Kohlendioxidgehalt und der radioaktiven Verschmutzung absieht. Im Augenblick fehlt es mir also an nichts Lebensnotwendigem. Was ich dagegen wirklich bräuchte, wäre ein kleiner, primitiver Nullsender mit Spiralgang. Kann man sich etwas Simpleres vorstellen als einen primitiven Nullsender? Höchstens einen primitiven Nullakkumulator … Maxim schloss die Augen und rief sich den Bauplan eines Positronenemitter-Senders ins Gedächtnis. Ganz einfach! Hätte er die Bauteile zur Hand, könnte er das Gerät auf der Stelle und mit verbundenen Augen zusammenbauen. Einige Male spielte er die Handgriffe durch, doch als er die Augen öffnete, war kein Sender da. Nichts war da. Robinson, dachte er, und dieser Gedanke faszinierte ihn. Maxim Crusoe. Ich habe tatsächlich gar nichts. Nur Shorts ohne Taschen und ein paar Turnschuhe. Dafür aber ist meine Insel bewohnt. Und da die Insel bewohnt
ist, bleibt mir immer noch die Hoffnung, von irgendwoher einen primitiven Nullsender aufzutreiben. Maxim versuchte, sich auf diesen Gedanken zu konzentrieren, aber es gelang ihm nicht. Ständig hatte er das Bild seiner Mutter vor Augen, wie man ihr mitteilte: »Ihr Sohn ist verschollen.« Er sah das Gesicht, das seine Mutter dabei machte, und seinen Vater, wie er sich über die Wangen strich und hilflos um sich blickte. Er stellte sich vor, wie kalt und leer sie sich dabei fühlten … Nein, sagte sich Maxim, daran darf ich jetzt nicht denken. An alles, nur nicht daran, sonst werde ich hier gar nichts fertig bringen. Ich verbiete mir, daran zu denken. Und ich befehle mir, nicht daran zu denken. Schluss. Er erhob sich, drehte dem Fluss den Rücken zu und folgte der Straße in die andere Richtung.
    Hatten die Bäume anfangs nur vereinzelt und etwas entfernt vom Straßenrand gestanden, so rückte der Wald allmählich immer dichter an die Straße heran. Ein paar junge Bäumchen hatten sogar den Beton durchbrochen und wuchsen mitten auf der Fahrbahn. Die Straße musste jahrzehntealt sein, jedenfalls hatte man sie jahrzehntelang nicht mehr benutzt. Je länger Maxim marschierte, desto höher, dichter und finsterer wurde der Wald. An manchen Stellen schloss sich bereits das Blätterdach über seinem Kopf. Die unheimliche Stille darin wurde von noch unheimlicheren, kehligen Lauten durchbrochen, die - mal links, mal rechts - aus dem Dickicht kamen. Hatte sich dort nicht etwas bewegt? Ein Rascheln, ein Trappeln, und dann - wieder Stille. Etwa zwanzig Schritte vor ihm huschte eine dunkle, gebückte Gestalt über die Straße. Maxim lauschte - nichts, nur das Surren von Mücken. Ihm kam in den Sinn, dass womöglich niemand in der Nähe wohnte. Der traurige Zustand der Straße und die vollkommen verwilderte Umgebung ließen befürchten, dass es noch Tage dauern konnte, bis er auf zivilisierte Wesen stoßen würde. Als seine niederen Instinkte sich wieder meldeten, beruhigte
sich Maxim mit dem Gedanken, dass es in den Wäldern sicher viele wilde Tiere gab. Er würde also nicht Hungers sterben, selbst wenn sich das hiesige Getier als wenig schmackhaft erweisen sollte. Die Jagd wäre dafür umso interessanter. Und weil er sich verboten hatte, an das zu denken, was ihm am meisten auf der Seele lag, rief er sich in Erinnerung, wie er mit Oleg und dem Förster Adolf auf der Jagd gewesen war, wie sie den Hirsch durch den Wald gehetzt hatten, drei Tage lang, ohne Waffen, Mensch gegen Tier, Vernunft gegen Instinkt, Geschick gegen rohe Kraft, wie sie ihn schließlich gestellt und am Geweih zu Boden gezerrt hatten … Nun, vielleicht gibt es hier keine Hirsche, aber daran, dass es genießbares Wild gibt, besteht gar kein Zweifel. Wenn man sich nur für einen Moment ablenken lässt oder in Gedanken versinkt, fallen sofort die Mücken über einen her, fressen einen fast auf, und wer auf einem fremden Planeten selbst genießbar ist, verhungert bekanntlich nicht. Es wäre gar nicht so schlimm, sich hier zu verirren und sich das eine oder andere Jahr im Wald
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