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Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Titel: Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)
Autoren: Rudolf Nährig
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Werbung ist immer die beste. Dennoch war dieser Reklame-Nebeneffekt meiner Schreiben nie mein vorrangiger Gedanke. Jedes Wort, jeden Satz habe ich immer mit Herz, Freude und ehrlicher Zuwendung geschrieben. Der Großteil der Empfänger hat dies auch gespürt. Einige haben sich sogar schriftlich bedankt. Das hat wiederum mich sehr erfreut.
    Meine Trauerbriefe waren besonders innig. Nie habe ich ein Wort geschrieben, das ich nicht auch so meinte. Meine Anteilnahme am Tode des oder der Verstorbenen war und ist immer echt. Ich konnte auch nur dann salbungsvolle Briefe schreiben, wenn ich die Familie schon lange und gut kannte, sie vor allem aber auch mochte. Dann floss all mein Kummer in die Worte. Diese Schreiben wurden von den Hinterbliebenen in aller Regel als sehr trostspendend empfunden. Oft erzählten mir die hinterbliebenen Ehefrauen, die ja gewöhnlich ausdauernder sind als die Männer, dass sie meine Briefe mehrmals gelesen und aus ihnen Beruhigung, Kraft und Trost geschöpft hätten. Und das freut mich. Mein fester Glaube: »Wenn der Herr eine Tür zuschlägt, dann macht er ein Fester auf.« Mehr zu wollen wäre vermessen.
    Meine Religiosität spielt bei alledem sicher eine große Rolle. Ich bin mit ganzem Herzen Katholik, und wenn ich eine Woche nicht in der Kirche war, knurrt mir die Seele. Albrecht Goes, ein schwäbischer Theologe, er übrigens Protestant, schrieb einmal in seinen Briefen: »Das Schlimmste wäre für mich, den Glauben zu verlieren. Ich hätte keinen Boden mehr unter den Füßen.« Wie recht hat er!
    In den letzten Jahren ging ich am liebsten nachmittags in die Kirche, wenn kaum Besucher da sind. In meine Kirche, den Mariendom in der Danziger Straße. Ich liebe die Stille dort. Eine Stille, die man hören kann. Am Nachmittag ist die Kirche meist leer. Manchmal verirrt sich eine trostsuchende Seele dorthin. Touristen kommen kaum. Dafür ist der Dom als Bauwerk nicht interessant genug. Es gibt zu wenig zu sehen, nicht genug »Sehenswürdiges«. Stattdessen aber eine Menge Unsichtbares. Dieser stille, weihevolle Ort bringt die Seele wieder ins Lot. Konzentriert die Gedanken auf das Wesentliche. Wäscht Seele und Geist wieder rein. Manchmal sah ich auch den einen oder anderen meiner Gäste, zum Beispiel einen Banker, ganz in sich versunken mit gefalteten Händen auf den harten Holzbänken knien. Mein erster Gedanke war unwillkürlich: »Na, was hast du denn wieder angestellt, dass du um Gnade flehst?«
    Oftmals sagten Gästen zu mir: »Herr Nährig, Sie wissen von den Leuten so viel und Sie kennen alle.« Meine Antwort: »Möglich, aber das ist nicht immer angenehm für mich.«
    All die vielen Geschichten.

Lehrjahre sind keine Herrenjahre
    Die Welt is die wahre Schule, denn da lernt man alles von selbst. In der Schul’, da muss man die Lektionen aufsagen, sonst is man dumm; wenn man aber in der Welt eine tüchtige Lektion kriegt, so muss man still sein und gar nix dergleichen tun, dann is man g’scheit.
    Johann Nepomuk Nestroy
Meine Berufung zum Kellner
    Wie ich dazu gekommen bin, ausgerechnet den Beruf des Kellners zu ergreifen? Das ist schnell erzählt.
    So ziemlich alle meine Schulkameraden in der achten und letzten Klasse der Volksschule wussten bei der Zeugnisverteilung noch nicht recht, was denn nun kommen sollte. Welchen Berufs- und Lebensweg sollten sie einschlagen? Ein paar hatten Lehrstellen, die hatten sie aber nur angenommen, um eine Tätigkeit zu haben, solange sie sich weiter über die anzusteuernde Zukunft Gedanken machten. Am Anfang war die Verwirrung. Doch nicht bei mir. Für mich war die Sache klar. Hatte auch schon lange im Vorweg meine Stelle als Kellnerlehrling in Krems an der Donau, im »Hotel zur alten Post«, dem besten Haus am Platz, zugesagt bekommen.
    Oh, wie habe ich mich darauf gefreut! Die Idee, diesen Beruf zu ergreifen, hatte mich bei einem Schulausflug zum Semmering erfasst und nicht mehr losgelassen. Der Semmering ist ein herrlicher Alpenpass sowie Sommer- und Winterkurort, etwa achtzig Kilometer südwestlich von Wien. 985 Meter über dem Meer, verläuft hier die Hauptroute von Niederösterreich in die Steiermark. Wir fuhren mit der Eisenbahn, der berühmten Semmeringbahn. Übrigens der einzige Klassenausflug während der ganzen Schulzeit. Das ist heute anders: Tempora mutantur .
    Der Semmering beherbergte eines der schönsten Hotels Österreichs. Das »Panhans«. Ein Grand Hotel erster Klasse. Groß, prächtig, alles überragend stand es da. Von den zwanziger
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