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Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Titel: Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)
Autoren: Rudolf Nährig
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Frankenwein und danach Pudding. Herr Kröger war ebenso lange im Hotel Vier Jahreszeiten beschäftigt wie ich, vielleicht sogar ein paar Jahre länger. Mir fiel auf, dass er, wenn er seiner Frau Thea beim Auftragen der Speisen hilft, die Handgriffe genauso ausführt wie jede »ungelernte« Hausfrau. Auf meine Frage, warum er nicht auf Erlerntes zurückgreife wie all die fünfzig Jahre zuvor, reckte er sich kerzengerade und sagte mit ernster, fast ehrfurchtsvoller Stimme, als würde er ein Gesetz verkünden: »Am ersten Tag meiner Pensionierung habe ich alle Gepflogenheiten der Grand Hotellerie abgelegt.« Eine bloße Bequemlichkeit? Das würde aber nicht zu ihm passen. Nein, ich glaube, es hat einen tieferen Sinn. Der ganz exquisite Service, den er viele Jahre den edlen und noblen Gästen zuteilwerden ließ, soll auch allein diesen Gästen vorbehalten sein, für die man diesen Beruf gelernt und ausgeübt hat. So verstehe jedenfalls ich es.
    Nicht der Hoteldirektor zahlt unser Gehalt, nein, letztlich zahlt es der Gast. Wenn man das einmal begriffen hat, dann ist es um einiges leichter, diesen Beruf auszuüben. Wenn man dann noch eine Portion Humor mitbringt und ihn sorgfältig dosiert und richtig platziert hinzugibt, wird das Ganze zum wunderbaren, angenehmen Spiel.
    Es ist heute in Mode gekommen, alles als »Herausforderung« zu sehen. Dabei wird das Wort meist zweckentfremdet. Aus diesem Grunde verwende ich es auch nicht gerne. Bei all diesen »Herausforderungen« geht es zu guter Letzt meist doch nur darum, neue Wege zu finden, um noch mehr Gewinn zu machen. Noch mehr Gewinn mit weniger Personal, weniger Arbeitskräften. Wobei das Eigentliche, der Gast, auf der Strecke bleibt. Eine solche »Herausforderung« hat mit dem Geist des Dienens nichts gemeinsam!
Manchmal tut’s auch ein Fernseher – Über das Trinkgeld
    Das sogenannte Trinkgeld ist ein Ausgleich für den sehr geringen Lohn, wie er in der Gastronomie- und Hotelleriebranche gezahlt wird. Das Trinkgeldgeben ist eine Sitte, die bis in die Postkutschenzeit zurückgeht. Wenn die Herrschaft bei langen Reisen Rast machte und in die Wirtschaft ging, um zu essen, zu trinken und eventuell auch zu übernachten, war es die Aufgabe des Kutschers, die Pferde zu füttern, zu pflegen und, wenn nötig, auch zu wechseln. In die Gaststätte durfte er als gewöhnlicher Kutscher nicht hinein, doch wurden ihm ein Trunk und Essen zum Wagen gebracht. Das war oftmals auch schon sein ganzer Lohn. Geschlafen hat er im Stall bei den Pferden. Heute bekommen die Chauffeure keine Speisen und Getränke zur Limousine getragen, sie schlafen auch nicht im Auto, wohl aber erhalten sie Extrageld, um selbst etwas kaufen zu können. Das Trinkgeld. Dieses Trinkgeld hat sich im Laufe der Zeit auch auf andere dienende Berufe ausgedehnt, wie zum Beispiel Taxifahrer, Friseure, Servicebedienstete, Portiere, Stubenmädchen und eben Kellner.
    Schon allein aufgrund dieser Herkunft des Brauchs bin ich der festen Überzeugung, dass man sich für die Entgegennahme von Trinkgeld nicht schämen muss. Ganz im Gegenteil. Es ist eher eine Ehre, wenn sich so mancher Gast und Dienstempfänger für die erhaltenen außergewöhnlichen Leistungen mit einem Extralohn bedanken möchte. Doch ist es für den Gast nicht zwingend nötig, Trinkgeld zu geben. Er allein entscheidet, was er für richtig hält.
    Meine Devise war immer: Bediene und behandle jeden Gast so, als würde er viel Trinkgeld geben. Wie heißt es doch so schön: »Der Gast ist König.« (Allerdings geben Könige und Kaiser so gut wie nie Trinkgeld – entweder glauben sie, dass Lakaien oder Domestiken nicht trinken oder sie haben eben nie Geld bei sich.) Gibt er dennoch wenig oder kein Trinkgeld, so meine Devise weiter, dann bediene ihn bei der nächsten Gelegenheit noch besser. Wenn dann noch immer kein Trinkgeld kommt, so steigere dich noch einmal, dann klappt es meist. Wenn nicht, so habe ich immer noch meinen Lohn.
    Ich erinnere mich sehr gut an einen meiner Mitarbeiter, der nur denjenigen Gast gut bediente, der ihm auch ein gutes Trinkgeld gab. Hatte er die Erfahrung gemacht, dass bei diesem oder jenem Gast kein Extrageld zu erwarten war, hat er ihn schlecht bedient und links liegengelassen. Von diesem Mit- oder besser gesagt »Gegenarbeiter« habe ich mich nach kurzer Zeit getrennt. Das war ich meiner Berufsehre schuldig.
    Eine Trinkgeldszene bereitet mir heute noch besondere Freude; ja, sogar ein wenig Schadenfreude, die ja bekanntlich eine der
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