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Gerettet von deiner Liebe

Gerettet von deiner Liebe

Titel: Gerettet von deiner Liebe
Autoren: CARLA KELLY
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Laut Auskunft des Kutschers waren vor Kurzem schwere Regenfälle in der Gegend niedergegangen. Durch das Hochwasser war die Brücke zwischen Lovell und dem nächsten Dorf unpassierbar geworden, und die Fahrgäste waren genötigt, in der Poststation zu übernachten.
    Ihm war es einerlei. Wie unbequem die bevorstehende Nacht auch werden mochte, nichts konnte annähernd so schlimm sein, wie fünf Jahre allein und hungrig auf einer tropischen Insel ausgesetzt zu sein.
    Die Gouvernante mit den zwei Kindern, die während der langen Fahrt in der Postkutsche ihm gegenübergesessen hatte, tat ihm leid. Sie hatte ziemlich verzagt geklungen, als sie mit dem Wirt um den Zimmerpreis feilschte. Durch die unplanmäßige Übernachtung war die Frau im abgetragenen Umhang anscheinend gezwungen, auf ihre eigene bescheidene Barschaft zurückzugreifen. Ihr Dienstherr war offenbar ein Geizkragen, und James hätte gerne seine eigene wohlgefüllte Brieftasche gezückt, um der Frau auszuhelfen, wollte sich aber nicht einmischen.
    Gerade war er dabei, den Wirt davon zu überzeugen, dass er nicht den Wunsch habe, ungestört in einem Separee zu speisen, da er nichts mehr verabscheute als Einsamkeit, als ein blasierter Stutzer die Poststation betrat und ein Zimmer verlangte.
    Der überforderte Wirt versicherte ihm, es sei nichts mehr frei, Mr. Trevenen habe das letzte Zimmer bekommen.
    Der feine Herr wandte sich an James. „Ich bezahle den doppelten Preis.“
    Aufgeblasener Affe, dachte James belustigt. Ihm war es egal, wo er die Nacht verbrachte, aber so einfach wollte er es dem Kerl nicht machen. „Und wenn ich ablehne?“
    Die leicht vorstehenden Augen des eitlen Pfaus quollen beinahe aus den Höhlen. James beobachtete ungerührt, wie dessen bleiches Gesicht eine fleckige Röte annahm. Euer Gnaden sind wohl nicht an Widerspruch gewöhnt, wie?, dachte er spöttisch.
    Der Dandy betupfte sich die Stirn mit einem Spitzentuch. „Sie ahnen ja nicht, welche Strapazen ich ausstehen musste“, lamentierte er und wollte nun offensichtlich an James’ Mitleid appellieren.
    „Wie könnte ich?“, erwiderte James ungerührt und verkniff sich ein Lächeln, während der nach Lavendel duftende Herr ihm sein Leid klagte.
    Irgendwie wirkte der aufgeputzte Pfau tatsächlich derangiert. Die Enden seines breiten Revers hingen schlaff nach unten, die bauschige Seidenkrawatte war verrutscht, und die staubigen Spitzenmanschetten hingen zerknittert über den feingliedrigen Handgelenken.
    „Ich überlasse dem Herrn gern mein Zimmer“, sagte James schließlich.
    „Aber es ist mein letztes“, gab der Wirt zu bedenken.
    Achselzuckend warf James einen Blick in den Schankraum. „Ich kann dort hinten auf der Bank schlafen, wenn Sie mir eine Decke und ein Kissen geben.“
    „Sir, das ist …“
    „Abgemacht!“, rief der feine Herr, der sich als Sir Percival Pettibone vorstellte, doch seine Begeisterung schwand augenblicklich, als der Wirt die Lage des Zimmers beschrieb.
    „Es führt auf den Kuhstall und das stille Örtchen im Hinterhof?“, fragte er in blankem Entsetzen.
    „Ja, so ist es.“
    Sir Percival hielt sich das Spitzentüchlein unter die Nase, als verursache ihm allein der Gedanke daran bereits Übelkeit. „Ich nehme an, daran lässt sich nichts ändern, wie?“
    „Es sei denn, wir drehen das Haus herum“, bemerkte James seelenruhig und zwinkerte dem Wirt zu, der nur mit den Achseln zuckte. „Kann ich mein Gepäck hinter den Schanktisch stellen?“
    „Gewiss, Sir“, antwortete der Wirt erleichtert.
    James verstaute seine Reisetasche, nahm den Lederbeutel mit seiner Abhandlung heraus und begab sich ins Freie. Hoffentlich habe ich mich nie so benommen wie dieser Stutzer, dachte er. Seine Familie war wohlhabend und besaß große Ländereien, aber keinen Titel, und seine Mutter hatte ihn als wohlerzogenen Knaben zur See geschickt. Seit seiner Rückkehr hatte James einige seiner Landsleute kennengelernt, denen ein paar Jahre Einsamkeit auf einer gottverlassenen Insel kaum geschadet hätten.
    Er setzte sich auf eine Bank im Hof, bis die Sonne sank, und blätterte seine Abhandlung durch, obwohl er jeden Satz auswendig kannte. Nachdem ihm auf der Insel die Tinte ausgegangen war und bevor er gelernt hatte, aus der schwarzen Flüssigkeit von Kraken Tinte herzustellen, hatte er ganze Kapitel auswendig gelernt.
    Auf dem Deckblatt prangte die Gloriosa. Er war kein Künstler, aber eines Nachts, als er wieder einmal im kalten englischen Sommer frierend am
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