Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel
Autoren: Ronald Dworkin
Vom Netzwerk:
unabhängig davon, welche Entscheidungen sie in ihrem Leben treffen, über den gleichen Wohlstand verfügen. Eine solche Regierung könnte etwa wie bei einem Monopoly-Spiel alle paar Jahre das Eigentum aller einziehen, um es in gleich großen Anteilen neu zu verteilen. Ein solches Vorgehen wäre nicht mit der geforderten Achtung für die Verantwortung der Menschen, etwas aus ihrem Leben zu machen, zu vereinbaren, da aus ihren Entscheidungen – etwa mit Bezug auf Arbeit und Freizeit sowie Sparen und Investieren – keinerlei persönliche Konsequenzen entstehen würden. Zur Verantwortlichkeit gehört, daß wir bei unseren Entscheidungen deren Kosten für andere berücksichtigen müssen. Wenn ich mir mein Leben recht gemütlich einrichte oder aufgrund meiner Berufswahl im Hinblick auf die existierende Nachfrage oder die Bedürfnisse anderer weniger zu bieten habe, als es in anderen Karrieren der Fall gewesen wäre, dann bin ich selbst verantwortlich für die Kosten, die aus dieser Entscheidung entstehen, und darum ist es richtig, wenn ich in der Folge weniger besitze.
    17 Im Zusammenhang mit der Frage der Verteilungsgerechtigkeit müssen daher verschiedene Gleichungen parallel berücksichtigt werden. Wir müssen Lösungen finden, die mit beiden Grundprinzipien vereinbar sind, und diese Prinzipien jeweils auf eine Weise verstehen, die beiden gerecht wird, so daß weder das Ideal der gleichen Berücksichtigung noch jenes der individuellen Verantwortung verletzt wird. Dies ist das Ziel des letzten Teils dieses Buches. Lassen Sie mich das anhand einer eher realitätsfernen Lösung illustrieren: Stellen wir uns eine ursprüngliche Auktion vor, in der zunächst alle vorhandenen Ressourcen versteigert werden, wobei jeder über dieselbe Anzahl an Chips zum Mitbieten verfügt. Diese außerordentlich langwierige Auktion würde zudem so oft wie gewünscht wiederholt. Das würde dazu führen, daß niemand auf das letztendliche Ressourcenbündel anderer neidisch wäre, und darum käme in der resultierenden Verteilung eine gleiche Berücksichtigung aller zum Ausdruck. Im Rahmen einer zweiten Versteigerung könnten diese Menschen umfassende Versicherungspolicen entwickeln, auswählen und für sie eine vom Markt festgelegte Prämie bezahlen. Diese zweite Auktion würde die Konsequenzen, die sich aus positiven und negativen Zufällen ergeben, zwar nicht vollkommen beseitigen, hätte aber zur Folge, jeden für das eigene Risikomanagement verantwortlich zu machen.
    Auch wenn dieses Modell kaum realisierbar ist, kann es verwendet werden, um bestimmte Verteilungsstrukturen im wirklichen Leben zu bewerten. Man könnte sich zum Beispiel bei der Ausarbeitung eines Steuersystems am Vorbild dieser imaginären Märkte orientieren, etwa indem man Steuersätze daran ausrichtet, welche Prämien Menschen wohl auf einem hypothetischen Versicherungsmarkt zahlen würden. Vermutlich würde das zu einer weit progressiveren Besteuerung führen, als wir sie gegenwärtig in den Vereinigten Staaten haben. Außerdem könnte man ein Gesundheitssystem modellieren, das unseren vernünftigen Erwartungen daran, welche Versicherungen Menschen unter den oben genannten Bedingungen abschließen wür
18 den, entspricht. Das würde eine allgemein verbindliche Gesundheitsvorsorge erfordern. Allerdings könnte man die enormen Ausgaben, die heute im Rahmen von Medicare
 * eingesetzt werden, um Menschen in den letzten Monaten vor ihrem Tod am Leben zu erhalten, auf diese Weise nicht rechtfertigen, weil es sich für die Betroffenen nicht lohnen würde, die für eine solche Versorgung erforderlichen sehr hohen Prämien aufzuwenden, da sie die entsprechenden Gelder auch sonst gut für ihr Leben gebrauchen können.
    Freiheit . Neben einer Theorie der Ressourcengleichheit verlangt die Gerechtigkeit als allgemeiner Wert auch eine Theorie der Freiheit, und wir müssen uns bei der Ausarbeitung der letzteren dessen bewußt sein, daß Freiheit und Gleichheit miteinander in Konflikt geraten können. Isaiah Berlin hielt dies für unvermeidbar, aber ich will versuchen, in Kapitel 17 einen Ansatz zu verteidigen, der diese Gefahr zum Verschwinden bringt. Hierzu unterscheide ich zwischen Freiheit im weiteren Sinn ( freedom ), als der Fähigkeit, tun zu können, was man will, ohne von der Regierung daran gehindert zu werden, und Freiheit im engeren Sinn ( liberty ), die in jenem Teil von Freiheit im weiten Sinn besteht, den eine Regierung nicht einzuschränken legitimiert ist. Ich trete
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher