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Gérards Heirat

Titel: Gérards Heirat
Autoren: André Theuriet
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mich fort!«
    »Ich verbiete es dir! Du hast genug Dummheiten begangen; jetzt ist es an mir zu handeln, wie ich es für richtig halte.«
    Gérard, durch den Widerstand gereizt, machte verzweifelte Anstrengungen, die Thüre zu gewinnen. Der Chevalier war wütend geworden; der junge Mann bäumte sich wie ein wildes Pferd unter dem Sporn, und nun entspann sich zwischen ihnen ein stummer Kampf, der tragisch zu enden drohte. Vater und Sohn kannten sich selbst nicht mehr, sie waren vom Zorn vollständig überwältigt. Glücklicherweise besaß der alte Gardeoffizier noch eine kräftige Faust; er fand etwas von seiner früheren Stärke wieder, und so gelang es ihm schließlich, Gérard, der nach und nach ermattete, in einen Lehnsessel zu drücken. Dann riß sich der Chevalier mit einer für sein Alter erstaunlichen Behendigkeit los, war in einem Satz an der Thüre, schloß seinen Sohn ein und ging fort.

Siebzehntes Kapitel.
    Der erschöpfte Jüngling blieb einige Zeit verblüfft und wie gebrochen in seinem Lehnstuhl sitzen. Die Vorwürfe und Verwünschungen seines Vaters klangen ihm noch in den Ohren. Alles, was sich in der letzten Viertelstunde begeben hatte, kam ihm vor wie ein qualvoller Traum. Nur verworren hörte er vom Hofe herauf das Stampfen Brunos, den Baptist am Zügel hielt, die laute Stimme seines Vaters und die Antworten der erstaunten Marie. »Bringt meinen großen Mantelsack!« schrie der Chevalier.
    »Den Mantelsack?« wiederholte die Dienerin, »Heilige Jungfrau! Seit zehn Jahren hat man den nicht mehr gebraucht! Sind Sie denn ganz von Sinnen, Herr von Seigneulles?«
    Darauf antwortete der wütende Chevalier mit Stampfen und Fluchen. Endlich nach vielem Hin- und Herlaufen und lautem Rufen, wurde der Mantelsack dem Pferde hinten aufgeschnallt und Gérard, der sich dem Fenster genähert hatte, sah, wie sein Vater in den Sattel sprang und dem Pferde einen heftigen Peitschenhieb versetzte. Bald erklangen die Hufschläge Brunos auf dem Straßenpflaster; der Chevalier war abgereist.
    Als Gérard den Kopf wieder erhob, bemerkte er Marius Laheyrard, der unter den Buchen auf der Terrasse rauchend auf und ab ging. »Ach,« dachte er, »so werde ich doch endlich Aufklärung erhalten!« Ohne die von seinem Vater abgeschlossene Thüre weiter zu beachten, stieg er aus dem Fenster und ließ sich, zwei Schritte von dem verblüfften Baptist, in den ungepflasterten Hof hinabgleiten. In zwei Minuten war er bei Marius unter den Bäumen im Obstgarten.
    »Das ist schön!« rief dieser und streckte ihm die Hand entgegen. »Sie haben sich nicht wie ein Schuljunge einsperrenlassen... Ich mußte gewiß, daß Sie uns zu Hilfe eilen würden.«
    »Helene?...« fragte Gérard.
    »Abgereist,« antwortete Marius seufzend; »nach dem Angriff im Höllengrund war der Platz nicht mehr zu halten... Ach, mein armer Freund, ich habe ein schweres Unrecht gegen Sie begangen!« Und der Dichter begann, alle falsche Scham beiseite setzend, ihm ehrlich sein tolles Benehmen bei dem Jagdfrühstück und dessen unheilvolle Folgen zu berichten. »Helene ist vor dem Grolle Frau Grandfiefs geflohen: aber ich bin hier geblieben und in die Bresche getreten und werde dieser abscheulichen Scheinheiligen ein Gericht aus meiner Küche zu kosten geben.«
    Gérard bestand darauf, den Aufenthaltsort Helenens zu erfahren, und Marius nannte ihm schließlich die Straße und das Haus, in dem seine Schwester Zuflucht gesucht hatte.
    »Danke!« rief Gérard aus, »ich werde sofort nach Paris reisen; wollen Sie mich begleiten?«
    »Nein, jetzt nicht... ich brüte meine Rache aus und weiche nicht vom Platz; aber, lieber Freund, was wollen Sie denn dort thun?«
    »Ich will,« sagte Gérard mit entschlossenem Ton, »Helenen sehen, ihr zeigen, daß mein Herz sich nicht geändert hat und erst hierher zurückkehren, wenn ich sie als meine Gattin heimführen kann.«
    Seine Augen blitzten und sein Gesicht hatte einen so ungewohnten, energischen Ausdruck angenommen, daß Marius ihn einen Augenblick verwundert betrachtete, ihm dann aber kräftig auf die Schulter klopfte und sagte:
    »Sie gefallen mir, Sie sind ein Mann!... Reisen Sie also und gut Glück! Steigen Sie im Hotel Parnaß ab; der Wirt ist ein gescheiter Kerl; aber berufen Sie sich nicht auf mich, sonst setzt er Sie schmählich vor die Thüre!«
    Unterdessen trabte Herr von Seigneulles auf der Landstraße dahin zur Station. Dem ungeduldigen Chevalier schienen die Kilometersteine gar kein Ende nehmen zu wollen, und er
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