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Geraeuschkiller - Mutige Liebe

Geraeuschkiller - Mutige Liebe

Titel: Geraeuschkiller - Mutige Liebe
Autoren: Eva Severini
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im Auto, auf Kindergeburtstagen. Es war spannend wie
Fährtenlesen für einen Jäger. Damals passierte es das erste und einzige Mal, dass
ihr Vater ausrastete – beim Abendessen, als sie wieder mit geschlossenen Augen
am Tisch saß.
    »Es
reicht!«, brüllte er. »Wie lange soll das noch gehen!« Wochenlang hatte er mit
gutem Zureden und Lächeln versucht, sie von ihrem Spiel abzubringen. Jetzt riss
ihm die Geduld. Einen solchen Wutanfall hatte Clara bei ihm noch nie erlebt.
    Sie hatte
ein Auge aufgemacht. Sein Gesicht war puterrot bis zum Haaransatz, die kleine
blaue Ader unter seinem rechten Auge angeschwollen, seine Stirn zuckte vor Wut.
Clara machte schnell die Augen wieder zu.
    »Sitzt hier
rum wie eine Schlafwandlerin! Ich hab dir tausendmal gesagt, dass du das lassen
sollst!«
    Sie hielt
die Lider geschlossen, lauschte. War da eine Spur von Angst in seiner Stimme?
    »Liebes,
dein Vater hat Recht!«, sagte ihre Mutter. Ihre Stimme klang scharf. »Das ist
doch nicht normal, Kind.«
    Clara war
sicher, dass ihre Mutter dabei lächelte. Sie öffnete ein Auge. Ja, sie
lächelte.
    »Klar hab
ich Recht!«, schrie ihr Vater. »Rede mir nicht immer nach dem Mund!«
    »Aber ich
will dir doch nur …«, sagte ihre Mutter.
    Er schrie:
»Misch dich nicht ein! Ich ertrage das alles nicht mehr!« Erschrocken über das,
was ihm da gerade herausgerutscht war, hielt er inne.
    Einen
Moment lang herrschte Stille. Eisige Stille.
    Clara öffnete
vorsichtig ein Auge. Ein eingefrorenes Lächeln lag auf den Lippen ihrer Mutter. Clara kniff die Augen zu.
    »Wenn du
hier weiter rum sitzt wie eine Eule, dann gehst du sofort auf dein Zimmer –
sofort!«, presste ihr Vater schließlich heraus. »Ohne einen Bissen! Egal, ob du
hungrig bist oder nicht! Das gilt auch für die Zukunft. Ich schau das nicht
mehr mit an! Verstanden?«
    Sie hörte
die Wut in seiner Stimme. Garantiert lächelt er, dachte sie und öffnete die
Augen. Sie hatte recht.
    Damals
hatte sie entdeckt, dass ihre Eltern immer eine lächelnde Miene aufsetzten,
wenn sie ihr etwas verheimlichen wollten. Ihr Vater war damals gerade arbeitslos
geworden, doch das sagten sie ihr erst, als er einen neuen Job gefunden hatte. Viele
Wochen später. Seit damals wusste sie, dass Gesichter täuschen können. Die
Stimme nicht.
    Irgendwann,
es mochten einige Monate vergangen sein, hatte das Spiel für Clara an Spannung
verloren. Gut fünf Jahre war das her.
    Das
Räuspern ihres Vaters holte sie in die Gegenwart zurück. »Wir haben diesen Tick
hinter uns, Clärchen. Das ist Schnee von gestern, nicht wahr, Liebes?«
    Clärchen!
Sie hörte den Unmut in seiner Stimme. Bestimmt lächelt er, dachte sie und öffnete
die Augen. Sie hatte Recht.
    Mit
Unschuldsmiene knabberte sie an ihrem Schinkenbrot. Heute war ihr nicht nach
Zoff.
    Er stand
auf und holte tief Luft, als wollte er noch etwas sagen, doch dann hob er nur
unbeholfen die Hände und lächelte Anna verlegen zu. »Gute Nacht, ihr Lieben,
ich muss morgen wieder um vier Uhr früh raus. Der Flieger geht um sechs Uhr
dreißig.«
    Er drückte
Clara einen Kuss aufs Haar, das hatte er schon lange nicht mehr gemacht, zögerte
einen Augenblick und wandte sich dann abrupt zum Schlafzimmer.
    Was war los
mit ihm? Clara sah ihre Mutter fragend an. Anna nestelte an ihrer Serviette und
lächelte. »Papa ... hat Probleme ... in der Firma!«
    Ihr Vater
war seit fünf Jahren als Softwareentwickler bei einem Hersteller für Plastikrecycling
beschäftigt.
    »Wir
wollten es dir noch nicht ... Aber es geht doch alles schneller als wir
dachten.« Ihre Mutter zerrupfte die Papierserviette. »Es ist besser, wenn ich’s
dir sage, weil ... Papa ist sehr unter Druck deswegen ... Dein Vater wird ins
Ausland versetzt.«
    »Ins
Ausland?«
    Ihre sonst
so starke Mutter wirkte plötzlich hilflos. Clara lief zu ihr, kuschelte sich
auf ihren Schoß und schlang die Arme um ihren Hals.
    »Wohin?«
    »Nach
Indien.«
    »Indien?«
    Anna nickte
und strich ihr das Haar aus der Stirn.
    »Das ist
sehr weit weg!«, Clara versuchte locker zu klingen.
    »Mit dem
Flieger vierzehn Stunden.«
    »Für wie
lange?“
    Ihre Mutter
lächelte, doch ihre Stimme bebte. »Für fünf Jahre!«
    Fünf Jahre!
Clara spürte einen kleinen Stich, dort wo das Herz sitzt. So lange sollte sie
seine Stimme und sein Lachen nicht mehr hören, und sein Pfeifen morgens im Badezimmer,
wenn er sich rasierte und so heimelig nach Rasierwasser duftete!
    »Aber er
kommt doch ganz oft zu uns?«
    »So oft
wird das nicht
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