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Geraeuschkiller - Mutige Liebe

Geraeuschkiller - Mutige Liebe

Titel: Geraeuschkiller - Mutige Liebe
Autoren: Eva Severini
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immer.
    Hinter dem
Dorf, dort, wo der Kiefernwald bis zum weißen Dünenstrand reichte,
glänzte  das Meer im Licht der untergehenden Sonne. Die Vögel zwitscherten
vielstimmig ihr Abendkonzert. Eine Fledermaus schwirrte durch die Dämmerung.
    Clara
lauschte. Etwas war anders als sonst um diese Stunde. Und obwohl alles aussah
wie immer, überkam sie ein Schaudern. Irgendetwas stimmte nicht.
    Sie
horchte.
    Es waren
die Vogelstimmen. Sie klangen rätselhaft fremd. Merkwürdig entstellt tönten sie
aus den Baumkronen herüber. Das Zwitschern und Piepen hörte sich blechern an,
wie von mechanischen Vögeln.
    »Ach was,
das bilde ich mir bloß ein!«, sagte Clara laut zu sich selbst und bohrte mit
den Zeigefingern in ihren Ohren.
    Ihr Blick
schweifte zu ihrem Elternhaus. Leise drang der Gesang ihrer Mutter zu ihr
herauf. Sie war von der Chorprobe zurück und übte für den bevorstehenden
Auftritt im Fernsehen. Ihre Mutter hatte eine wunderschöne Stimme. Wenn sie
sang, bekam sie ein ganz weiches Gesicht. Der Ärger, den sie aus der Arbeit im
Krankenhaus mitbrachte, verflog dabei.
    Clara
guckte durch das Blätterdach zum Kiefernwald hinüber. Horchte angespannt in die
Dämmerung hinein. Sie täuschte sich nicht – mit den Vögeln stimmte etwas nicht.
Sie legte die Hände hinter die Ohrmuscheln und drückte sie nach vorn, um noch
besser zu hören.
    Mit einem
Mal schlug das Gezwitscher in ein gespenstisches Stöhnen um. Es hörte sich an,
als erstickten die Vögel.
    Dann
verstummten sie schlagartig.
    Clara hielt
den Atem an.
    Kein Vogel
war mehr zu hören.
    Nur die
Blätter der Buche wisperten im Wind.
    »Das ist
nur ein Traum, ein böser Traum!«, flüsterte sie und kletterte rasch nach unten.
    Sie
lauschte noch einmal in den Abend hinein. Kein Vogel war zu hören.
    Ganz unheimlich wurde
ihr zumute, und sie lief schneller als gewöhnlich durch das hohe Gras nach
Hause.

Zu Hause
     
    Als sie die
Haustür öffnete, war alles wie immer.
    Im
Fernsehen schwatzte der Quizmaster einer Vorabendshow. Ihre Mutter hantierte in
der Küche, das Geschirr klapperte, und die Uhr an der Wand tickte vertraut.
    Clara lief
zum Vogelkäfig und hob das Schlaftuch ein wenig. Jule und Pünktchen, die
Wellensittiche, saßen wie immer auf ihren Holzstangen, die Köpfchen unter die
Flügel geschoben. Jule blinzelte sie mit einem Auge vorwurfsvoll an.
    »Ist ja
gut, ich wollte dich nicht wecken«, sagte Clara und ließ das Tuch behutsam
sinken.
    Es schien
alles wie immer zu sein. Hartmut, ihr Vater, saß am Esstisch und
verbarrikadierte sich hinter der Wochenzeitung. Ihre Mutter stellte den Teller
mit Wurstaufschnitt auf den Tisch und verteilte die Servietten. Sie wünschten
sich guten Appetit.
    Clara
schloss die Lider und lauschte.
    Die
Kaugeräusche. Das Räuspern. Das Schlucken. Das Schweigen der Eltern. Es war
alles wie sonst auch.
    »Fängst du wieder
damit an, Clara!«, sagte ihr Vater. »Mach die Augen auf, wenn du am Tisch
sitzt!«
    Sie öffnete
die Augen und angelte sich eine Scheibe Schinken, aber nach einer Weile kniff sie
die Lider erneut zu. Heute musste sie sicher gehen, dass sich alles anhörte wie
immer.
    »Wenn das
wieder losgeht, Kleines!«, sagte ihr Vater, seine Stimme klang schneidend, doch
er lächelte, als Clara mit einem Seufzen die Augen öffnete.
    »Lass sie
doch, Schatz.«, sagte ihre Mutter und lächelte.
    Er
herrschte sie an: »Misch dich da nicht ein!«
    Anna blieb
die Luft weg bei seinem Ton. Aber sie lächelte weiter.
    Ihr Vater
sagte: »Clara, du weißt, ich mag das Spiel mit den geschlossenen Augen nicht.
Wir haben diesen Tick schon lange hinter uns, stimmt’s?«
    Clara trank
langsam und in kleinen Schlucken ihre Limonade. Wenn sie sich auf etwas
verlassen konnte, dann auf ihre Ohren, das hatte sie vor ein paar Jahren
entdeckt, als ihr »Tick« begonnen hatte, wie ihr Vater sagte. Sie hatte sich
damals wieder einmal geweigert Wirsing zu essen, hatte die Lippen zusammen
gepresst und die Augen fest zugedrückt, entschlossen, nicht nachzugeben.
    Und da
hatte sie es entdeckt: Sie hörte nur die Stimmen der Eltern. Hart klangen sie
und mühsam beherrscht. Doch als sie die Augen öffnete, sah sie lächelnde
Gesichter. Verheimlichten sie ihr etwas?
    Von dem Tag
an hatte sie ein neues Spiel: Sie schloss die Augen und horchte. Zwischendurch
machte sie ein Auge auf, um zu gucken, wie das, was sie hörte, aussah, und ob
es mit dem zusammenpasste, was sie hörte. Das Spiel spielte sie überall. In der
Schule, im Supermarkt,
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