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Gepaeckschein 666

Gepaeckschein 666

Titel: Gepaeckschein 666
Autoren: Alfred Weidenmann
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die ganze Soße, einschließlich Ihnen, Herr Kuhlenkamp, jeden Abend ab sieben Uhr meinen Astorianern zur Verfügung steht!“ Herr Winkelmann war nämlich beim Boxverein „Astoria“ erster Vorsitzender.
    Tagsüber quälten sich dicke Fabrikdirektoren und Rechtsanwälte an den Sprossenwänden. Sie kamen mit ihren breiten Wagen in den Hinterhof gefahren und nahmen ihre Liegestütze und Rumpfbeugen genauso wichtig wie irgendwelche Konferenzen und Vorstandssitzungen.
    Die Abende gehörten, wie vereinbart, den Astoria-Leuten, die allerdings in der Mehrzahl mit der Straßenbahn oder zu Fuß zur Warburgstraße kamen, höchstens auf Fahrrädern. Montags und donnerstags war die Jugendmannschaft an der Reihe.
    Diese Jugendmannschaft von „Astoria“ bestand fast nur aus Schuhputzerjungen. Und wer von ihnen nicht „aktiv“ war, kam wenigstens als Zuschauer mit, auch heute wieder. Es war Montagabend.
    Im Umkleideraum ging es drunter und drüber. Kein Wunder, wenn man sich vorstellt, daß sich siebenundzwanzig Jungen so ziemlich gleichzeitig die Schuhe ausziehen und Kleiderhaken für ihre Hemden, Hosen und Pullover suchen. In einem Raum, der nur für fünfzehn Menschen eingerichtet ist.
    „Eigentlich ist das Ganze ein Witz“, sagte gerade ein Rothaariger und stieg dabei in seine Sporthose.
    Natürlich war von dem Banküberfall auf dem Bahnhofsplatz die Rede. „Über hunderttausend Mark!“ Ein kleiner Junge, der vorne rechts eine Zahnlücke hatte, saß auf einmal ganz still da und sah mit großen Augen zu einer der Glühlampen hinauf, die an der Decke hing.
    „Wenn ich mir das vorstelle, so wie wir unser Geld verdienen, hundertvierzigtausend Mark in lauter Groschen—!“
    „Das wäre ein Möbelwagen voll Geld, womöglich noch mit Anhänger“, sagte der Sheriff. Er zog sich gerade sein ärmelloses Astoria-Trikot über den Kopf.
    „Die Herren werden erwartet!“ rief jetzt eine helle Stimme.
    Diese Stimme gehörte Fanny Kuhlenkamp. Sie war etwa vierzehn Jahre alt und hatte eine Menge heller Locken.
    „Wir kommen, Admiral!“ riefen die Jungen.
    Fannys Freundinnen hatten nämlich so etwas wie einen Marine-Tick, und die ganze Schulklasse war aufgeteilt wie eine Schiffsmannschaft. Vom „Smutje“ angefangen hatte jedes Mädel seinen Rang. Daß Fanny Kuhlenkamp der „Admiral“ des Ganzen war, hatte der Sheriff in Erfahrung gebracht. Er ging gelegentlich mit einer von Fannys Freundinnen Himbeereis essen, in der Eisdiele am Gänsemarkt.
    Vater Kuhlenkamp wartete bereits im Trainingsraum.
    „ Zeit!“ das war das Kommando für die erste Trainingsrunde. Die Jungen hatten sich im ganzen Raum verteilt und begannen mit Seilspringen.
    Man hörte jetzt nur noch das Geräusch der Seile und den Atem der Jungen, dazu allerdings noch das Ticken der Zeituhr. Jedesmal, wenn nach drei Minuten eine Runde zu Ende war, klingelte sie. Dann gab es eine Minute Pause.
    Nach der Seilspringerei kamen die Geräte an die Reihe. Jeweils eine Runde lang ging es an die Sprossenwand, an den Ruderapparat oder auf das in den Boden zementierte Fahrrad.
    Vater Kuhlenkamp war früher einmal Amateurmeister im Mittelgewicht gewesen und nahm das Training verteufelt ernst. Er hatte seine Augen auch in der hintersten Ecke. Allerdings, die Jungen nahmen diese zwei Abende in der Woche genauso ernst. Sonst hätten sie ja gleich zu Hause bleiben oder ins Kino gehen können.
    „Handschuhe anziehen!“ kam jetzt das Kommando.
    Peter stand wartend am Sandsack und der Sheriff vor einer Maisbirne.
    „Zeit!“
    Links, links - rechts.
    Links, links - rechts.
    Peter schlug hintereinander linke und rechte Haken.
    Endlich kam der Sandsack mit seinen zwei Zentnern in Bewegung.
    „Zeit!“
    „Aber Sheriff“, piepste der Admiral, „du pustest ja schon wie der ,Seifenfritze’ !“
    Der „Seifenfritze“ war allgemein bekannt. Er kam jeden Montagvormittag, war der Besitzer der „Bella-Gesichtsseifen“-Fabrik in Lockstedt und im übrigen so dick, daß er sich hätte im Zirkus zeigen können.
    Der Sheriff wischte sich nur mit dem ein wenig zu großen Daumen seines Lederhandschuhs so unter der Nase vorbei.
    „Man wird eben älter“, piepste die helle Stimme des Admirals noch. Dann verschwand das Mädel hinter der Tür mit der Aufschrift „Privat“. Von dort hatte Frau Kuhlenkamp gerade nach ihr gerufen.
    Keiner der Jungen hatte bisher Frau Kuhlenkamp zu Gesicht bekommen. Sie mußte sehr krank sein und lag immer zu Bett. Man hörte sie nur, wenn sie einmal etwas
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