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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer
Autoren: Junggesellentage
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darauf versessen war, ihren Sohn in der
guten Gesellschaft zu sehen und (wenn möglich) eine vorteilhafte Heirat für ihn
zu arrangieren, war sie anderseits zu klug, ihn gegen seine Neigungen zu
beeinflussen oder seiner Ergebenheit für Cousin Waldo den geringsten Widerstand
entgegenzusetzen. Es gereichte ihr zur Ehre, daß sie fast von Anbeginn ihrer
Witwenschaft entschlossen war, Julian nie an ihre Schürzenbänder zu heften;
und obwohl sie sich strikt an diesen Entschluß hielt, kamen ihr oft Zweifel,
denn sie fürchtete, daß ihm seine sanfte Gemütsart zum Verderben werden
könnte. Er war ein hübscher Junge, von der Natur reich bedacht, und es bestand
die Gefahr, daß er wie Laurence durch Schmeicheleien in schlechte Gesellschaft
gebracht werden könnte, was zu einem unglücklichen Ende führen müßte. Bei
Waldo war er nicht nur geborgen, sondern hatte das Glück, von diesem in seine
Kreise eingeführt zu werden, das heißt, Männern von erstem Rang und untadeligem
Charakter vorgestellt zu werden. Daß die meisten dieser Herren gefährlichen und
(nach ihrer Meinung) rohen Sportarten zugetan waren, wollte sie nicht in die
Waagschale werfen. Ihr war es unverständlich, daß ein Mann auf der Jagd oder
bei einem Wagenrennen seinen Kragen riskieren wollte, oder daß er die kleinste
Genugtuung dabei empfinden konnte, einen gezielten Schlag ins Gesicht eines
harmlosen Bekannten zu führen, wie es in Jacksons Boxing Saloon geschah. Sie
akzeptierte derartige Betätigungen in der Erkenntnis, daß eine Frau sie nicht
beurteilen könne und daß ihr nichts ferner lag, als ihren Sohn unter denen zu
finden, die rohen Sport ablehnen. Wie oft hatte sie Qualen der Eifersucht
erlitten, wenn sie sah, wie schon das Heben einer Augenbraue Waldos Julian dazu
brachte, einen jugendlichen Unsinn aufzugeben, den abzuwenden sie sich umsonst
bemüht hatte. Auch das war ein Grund, Waldo dankbar zu sein. Seine Ansichten mochten
nicht die ihrigen sein, sie mochte Julians Ergebenheit ablehnen; aber da sie
wußte, daß sein Einfluß auf ihren Liebling so stark war, schob sie alle
mütterliche Besorgnis beiseite.
    Ihre Augen
trafen sich, und sie sah sein verständnisvolles Lächeln.
    «Ich werde
ihn behüten, Ma'am.»
    Es ärgerte
sie, daß er, ohne in ihr Vertrauen gezogen worden zu sein, ihren Ehrgeiz
kannte, Julian in den gesellschaftlichen Erfolg, zu dem ihn Geburt, Aussehen
und Vermögen berechtigten, hineinwachsen zu sehen.
    «Er ist
erwachsen und, wie ich glaube, vernünftig genug, auf sich selbst achtzugeben»,
sagte sie schroff. «Du mußt eine sonderbare Vorstellung von mir haben, mein
lieber Waldo, wenn du glaubst, er müsse mich für irgend etwas um Erlaubnis
bitten.»
    Ein Lächeln
um die Mundwinkel, murmelte er: «Meine einzige Vorstellung von Ihnen, Ma'am,
ist, daß Sie eine Frau von hohem Verstand sind.»
    Julians
Aufmerksamkeit war durch eine Frage Mr. Winghams abgelenkt worden. Nun, da
Waldo nicht mehr mit seiner Mutter flüsterte, fragte er fröhlich: «Habt ihr
Geheimnisse? Wann willst du nach Yorkshire reisen?»
    «Ich habe
mich noch nicht auf ein bestimmtes Datum festgelegt – nächste Woche,
wahrscheinlich. Ich reise natürlich mit der Postkutsche.»
    Der
Ausdruck der Enttäuschung in Julians Gesicht war so komisch, daß sogar seine
beunruhigte Mutter lächeln mußte. Er rief aus: «o nein, du wirst doch nicht in
der stickigen Postkutsche – Ach, du schwindelst mich an, nicht wahr? Waldo, du
bist – du bist ein ...»
    «Gimpelfänger!»
ergänzte George mit breitem Lachen.
    Julian ging
fröhlich darauf ein: «Ja, und ein ganz abgefeimter dazu! Karriol oder Phaeton,
Waldo?»
    «Ich wüßte
nicht, wie wir mit dem einen oder anderen fahren können, wenn ich an der Great
North Road keine Pferde eingestellt habe», erklärte Waldo.
    Aber Julian
wollte sich nicht ein zweites Mal foppen lassen. Er erwiderte, daß sie, wenn
sein Cousin die Ausgaben scheue, seine Pferde vorauszuschicken, entweder Pferde
mieten oder jeweils so kurze Strekken zurücklegen würden, die von einem
Gespann bewältigt werden könnten.
    «Mir
gefällt der junge Lindeth», sagte George, als sie bald darauf in Richtung Bond
Street gingen. «Ein feiner Junge, er hat nichts Verschlagenes an sich. Aber
Laurence –! Mein Wort, Waldo, ich staune, daß du das erträgst. Nun, ich habe
ihn immer für mehr oberflächlich als dumm gehalten, aber nachdem ich heute
seine Unverschämtheiten gehört habe, halte ich ihn für das größte Rindvieh, das
ich je im Leben
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