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Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Titel: Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder
Autoren: Thomas Buehrke
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und verwies auf dessen große wissenschaftliche Leistung. Doch es half nichts, die junge Garde verlor den Kampf.
    Da Semmelweis nach wie vor nicht bereit war, seine Ergebnisse zu veröffentlichen, trat Skoda für ihn auf die Kanzel und hielt im Oktober 1849 vor der kaiserlichen Akademie der Wissenschafteneinen Vortrag, in dem er sowohl über die Verhältnisse an der Wiener Gebärklinik als auch über Semmelweis’ Tierversuche berichtete. Gleichzeitig sorgten seine Fürsprecher dafür, dass Semmelweis zum Mitglied der kaiserlich-königlichen Gesellschaft der Ärzte zu Wien gewählt wurde. Dort hielt er endlich von Mai bis Juli 1850 drei Vorträge. Hierin betonte er auch, dass die Infizierung der Wöchnerinnen sowohl von Leichen als auch von Lebenden ausgehen kann. Das hatten Hebra und Skoda in ihren Artikeln nicht so deutlich hervorgehoben, weswegen viele Ärzte stets nur von der Übertragung von Leichengift sprachen.
    Damit machte Semmelweis seine Theorie zumindest einigen Wiener Ärzten bekannt und erhielt durchaus Zuspruch. Kurioserweise führten einige Kliniken die Chlorwaschung ein, ohne Semmelweis’ Theorie explizit zuzustimmen. Hinter diesem Verhalten standen die Schuldgefühle der Ärzte.
    Trotz der verheißungsvollen Vorträge ließ sich Semmelweis nach wie vor nicht zu einer Veröffentlichung überreden, die ihn und seine Lehre in ganz Europa bekannt gemacht hätte. Das war ein wesentliches Versäumnis. Warum Semmelweis sich dagegen wehrte, ließ sich nie klären. Er selbst bemerkte später lediglich, er habe eine angeborene Abneigung gegen alles, was schreiben heißt.
    Die Zeichen standen nicht gut für Semmelweis. Zwar war er finanziell durch eine Erbschaft abgesichert, aber seine geliebte Existenz als Arzt war in ernster Gefahr. Im Februar 1850 reichte er ein Habilitationsgesuch ein – ein wenig hoffnungsvolles Unterfangen ohne Veröffentlichung. Außerdem schoss Klein erneut gegen ihn, während Rokitansky sich vehement für Semmelweis einsetzte. Es entbrannte ein Kampf hinter den Kulissen mit erstaunlichem Ausgang. Am 1. Oktober 1850 wurde Semmelweis zum Privatdozenten ernannt. Einen kleinen Haken hatte die Sache aber doch. Semmelweis war anfangs davon ausgegangen, dass er zu Demonstrationszwecken Leichen sezieren dürfe. Das wurde ihm aber abgesprochen.Stattdessen sollte er nur an Holzpuppen, sogenannten Phantomen, demonstrieren.
    Zunächst schien es so, als würde Semmelweis diese Einschränkung akzeptieren. Pünktlich meldete er seine Vorlesungen für das Wintersemester an. Doch dann war er plötzlich verschwunden. Nicht einmal seine engsten Vertrauten hatte er informiert. Rokitansky, Skoda und Hebra waren schockiert. Lediglich Hebra zeigte leidliches Verständnis. Er sollte bei Semmelweis’ Todesumständen noch eine gewichtige Rolle spielen.
    Es ließ sich nie klären, warum Semmelweis Wien fluchtartig verließ. Vielleicht war er es leid, Spielball von Intrigen zu sein, vielleicht war ihm die wissenschaftliche Arbeit am menschlichen Körper zu wichtig, um darauf verzichten zu können. Ohne Frage verfügte Semmelweis über ein extremes Naturell. Ein Kollege sagte später über ihn, Semmelweis habe zu Freunden immer volles Vertrauen gehabt und sei für sie in jeder Situation vorbehaltlos eingetreten. Wenn er jedoch eine »gemeine Denkungsart« bemerkte, brach er sofort mit der Person, möge sie ihm bis dahin auch noch so nahegestanden haben.
    Semmelweis war in seine Heimat zurückgekehrt, er hatte nur die Donauseite gewechselt: Im Februar 1851 wurde er Leiter der Geburtshilfeabteilung des Rochus-Spitals in Pest. Im Vergleich zu Wien war das ein Abstieg. Die Abteilung bestand nur aus wenigen Zimmern und einer Chirurgie. Es verstand sich von selbst, dass Semmelweis zunächst einmal die Hygienevorschriften erhöhte. Er führte Chlorwaschungen ein, die er kompromisslos überwachte, und verbannte Chirurgen aus dem Gebärhaus. Als Folge sank auch hier die Sterblichkeitsrate – und die Zahl der unzufriedenen Mitarbeiter wuchs.
    Die angetretene Stelle konnte indes nur eine Übergangslösung für ihn sein. Als 1854 der Professor für Geburtshilfe der Universität Pest, Ede Birly, starb, bewarb sich Semmelweis auf die Stelle. Wie sich später herausstellte, gab es in der Fakultätlange Diskussionen über die Nachfolge, wobei zeitweilig ausgerechnet Semmelweis’ Konkurrent aus Wien, Carl Braun, die besten Chancen hatte. Doch letztlich entschied sich die zuständige Verwaltungsbehörde für Semmelweis. Ein
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