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Generation Wodka

Generation Wodka

Titel: Generation Wodka
Autoren: Marcus Mockler , Wolfgang Büscher , Bernd Siggelkow
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ist nicht so, dass sich das Alkoholproblem bei Kindern auf das sogenannte Prekariat reduzieren lässt. Das Phänomen des Komatrinkens durchzieht alle gesellschaftlichen Schichten. Nur müssen die Antworten auf das Problem in den verschiedenen Schichten unterschiedlich aussehen. Ohne ein Umdenken in der Familien- und Sozialpolitik werden wir das Trinkverhalten in der Unterschicht jedenfalls nicht fundamental verändern können, befürchten wir.
Ein selbstkritischer Blick
    Motive zum Trinken gibt es viele, aber wir machen uns häufig über diese Motive etwas vor. Welche Rolle spielt eigentlich der Alkohol im Leben der Menschen? Ist der Rausch das eigentliche Ziel? Meinen Durst löschen kann ich ja auch mit Wasser. Um meinen Gaumen zu verwöhnen, gibt es unzählige schmackhafte nichtalkoholische Getränke. Bücher etwa über alkoholfreie Cocktails füllen inzwischen auch schon die Regale der Buchhandlungen. Und warum trinkt man, wenn man nun mal gern Bier trinkt, nicht alkoholfreies Bier? Was macht den Unterschied zwischen alkoholfreien und alkoholischen Getränken aus?
    Ganz klar: Die zunächst entspannende und dann berauschende Wirkung. Schon nach dem Genuss einiger Gläser Bier oder Wein verliert man langsam die Kontrolle über seinen Körper und seinen Verstand. Will man sich also doch wegbeamen auf eine andere Ebene? Wer trinkt schon Alkohol in so geringen Mengen, dass dieser keine Wirkung zeigt?
    Heimlich freuen wir uns doch alle über jeden Zeitungsartikel, der uns zum gemäßigten Alkoholgenuss ermutigt. Was hat es auf sich mit dem Gläschen Sekt zur Stabilisierung des Kreislaufs? Stärkt ein Glas Rotwein am Tag wirklich das Herz? Oder ist auch das nur eine Entschuldigung, weil man eben gern mal einen trinkt und sich eigentlich dafür eher schämt? Halten sich Genusstrinker, zum Beispiel die Rotweingenießer, sogar für die besseren Menschen, weil sie ihre Vorliebe für eine Kultur halten, die sie vom Prekariat unterscheidet? Schnaps ist für Prolos, der Merlot für die Elite?
    Seien wir ehrlich zu uns selbst: Wir alle trinken, um uns zu entspannen, um in Stimmung zu kommen, um besser drauf zu sein, um Spaß zu haben. Und das lernen auch die Kinder von uns Erwachsenen.
    Bei den Spirituosen verhält es sich noch schlimmer. Kann man Schnaps überhaupt trinken, um zu genießen? Hier konsumiert man eine größere Menge Alkohol, verpackt in wenig Flüssigkeit. Das Ziel ist klar und eindeutig (wenn wir mal vom kleinen Verdauungsschnäpschen absehen, das man mit etwas gutem Willen noch dem Genusstrinken zurechnen könnte).
    Als Konsument muss man nur so weit die Kontrolle über sich behalten, dass man dann aufhört, wenn man angetrunken ist. Das gilt als gesellschaftsfähig. Bei einigen Gläsern mehr ist man sturzbetrunken, und wenn das häufiger vorkommt, ist man nicht mehr gesellschaftsfähig.
    Diese Grenze lernt man erst mit den Jahren richtig einzuschätzen. Kinder aus gesunden Familienstrukturen testen das aus und hören dann in der Regel schnell wieder mit dem übermäßigen Trinken auf. Andere Kinder, die das nicht einmal vor ihren Eltern zu verheimlichen brauchen, weil diese selbst trinken, rutschen schneller in den Alkoholismus und tragen oft langfristig gesundheitliche Schäden davon.
Es wird Zeit, dass wir handeln
    Am Anfang dieses Buchs haben wir davon gesprochen, dass derzeit ein gesellschaftliches Experiment läuft, dessen Folgen nicht absehbar sind beziehungsweise gravierend unterschätzt werden. Wir haben die verschiedenen Facetten der Probleme der „Generation Wodka“ dargestellt. Die Zeit drängt, dieses Experiment abzustellen.
    Man wird nicht in einem Schritt allen Betroffenen und Gefährdeten helfen können. Es beginnt aber immer mit Einzelnen. Mit den eigenen Kindern, mit den Jungen und Mädchen aus der Nachbarschaft. Es geht weiter mit den Cliquen im eigenen Dorf, im eigenen Stadtteil. Wer einen einzigen Menschen vor dem Absturz bewahrt hat, hat schon Ungeheures geleistet.
    Die Politik muss selbstverständlich in größeren Bezügen denken und handeln – deshalb bewegt sie sich wahrscheinlich so langsam. Es wäre unserer Ansicht nach jedenfalls nicht viel geholfen, wenn die Leser nun nur unzufrieden auf Politiker und andere Verantwortungsträger schauten. Jeder kann in seinem Umfeld etwas gegen den Alkoholmissbrauch tun.
    Das Experiment „Generation
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