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Gemordet wird immer

Gemordet wird immer

Titel: Gemordet wird immer
Autoren: T Korber
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abgehauen bist?«, half Viktor ihm. »Verschwunden warst, vertrieben, geflüchtet?«
    »Nun werde nicht melodramatisch, Viktor. Du warst schon immer ein überdrehter, verzogener Bengel …«
    »Aber Onkel, spricht man so mit einem Hinterbliebenen?«
    »… der es nie gelernt hat, auf eigenen Füßen zu stehen. Was hast du denn schon geleistet, während wir hier für das Überleben der Firma geschuftet haben? Was hast du vorzuweisen, dass du es wagst, hier einfach so plötzlich aufzutauchen und Ansprüche zu stellen?«
    »Ich will nur, was mir schlicht und einfach zusteht.«
    Sein Onkel trat ans Fenster. »Dein Cousin Rolf hat jetzt seinen eigenen Betrieb als Heizungsbauer, verdient gutes Geld, tja. Der würde niemals …«
    Viktor schwieg.
    »Ach, und Melanie hat geheiratet letztes Jahr. Aber zu der Feier bist du ja nicht gekommen.«
    »Ich war verhindert.«
    Onkel Wolfgang schwieg.
    »In dieser Familie haben wir immer hart gearbeitet«, sagte er schließlich.
    »Wir reden hier ganz einfach über Fakten, Onkel Wolfgang«, erwiderte Viktor. »Mein Erbrecht ist ein Faktum.«
    Wolfgang Anders holte tief Luft. »Und wie hast du dir das gedacht? Wir haben ja mit nichts gerechnet. All die Jahre ohne Nachricht. Wir gingen im Grunde davon aus, dass du …«
    »Tot bist?« Viktor grinste. »Pardon, ›plötzlich und unerwartet aus einem Leben geschieden, das kaum begann‹, muss es wohl heißen, nicht wahr? Tut mir leid, dass ich damit nicht dienen kann.«
    Sein Onkel starrte ihn lange an. Endlich wischte er sich über die Stirn, auf der Viktor bereits Schweißperlen erkennen konnte. »Also, auszahlen kann ich dich nicht.«
    Viktor fragte sich, wie viele Nächte sein Onkel wohl hier über den Büchern verbracht haben mochte, seit der verlorene Sohn sein Kommen angekündigt hatte. Hoffentlich hatte er die Bilanzen ordentlich mit Angstschweiß getränkt. Viktor wartete einen Moment, dann winkte er ab. »Das wird auch nicht nötig sein, Onkel. Ich habe nämlich beschlossen, in das Unternehmen mit einzusteigen.« Er ignorierte, dass sein Onkel nach Luft schnappte. »Ich werde auch die Wohnung übernehmen.«
    »Die Wohnung?«
    Viktor wies mit dem Daumen nach oben. »Die Wohnung, ja, den Ostflügel oben. Fünf Zimmer, Küche, Bad, Balkon. Mein Erbe. Meine Heimat, ganz nebenbei. Wo ich als Kind gelebt habe.« Ich und Hannah, dachte er, Hannah und ich. Diese Schuld werdet ihr begleichen. »Und im Betrieb gehe ich dir als dein Compagnon zur Hand.«
    »Das ist ganz und gar unmöglich«, blaffte sein Onkel. Er richtete sich auf. »Der Beruf des Bestatters ist mit großer Verantwortung verbunden. Er verlangt Charakterstärke, Taktgefühl und genaue Kenntnisse.«
    »Du bist gelernter Friseur, und Papa war Friedhofsgärtner, als ihr angefangen habt«, unterbrach Viktor ihn. »Mama war als Buchhalterin damals vermutlich der einzige Profi in dem Laden.«
    Sein Onkel räusperte sich. »Seit damals hat sich vieles getan.«
    Viktor sah sich demonstrativ in dem altmodischen Zimmer um. »Du wirst es mir schon beibringen«, meinte er lässig und neigte sich vor, um seinem Onkel auf die Schultern zu klopfen. »Schwieriger als Surfen wird es nicht sein. Und wie du selbst gesagt hast: Andernfalls müsstest du die Firma aufgeben und das Haus. Auszahlen kannst du mich ja nicht.«
    Wolfgang Anders schwieg lange. Er sah müde aus. »Warum bist du damals weggegangen, Viktor?«
    »Das ist die große Frage, nicht wahr?« Viktor flüsterte es beinahe. »Sag du es mir.«
    Die Stille dehnte sich, ein Loch, in das der hineinzufallen drohte, der als Erster sprach. Sein Onkel schüttelte langsam den Kopf, wie einer, der einen bösen Traum vertreiben möchte. Er seufzte. Danach klang seine Stimme beinahe wieder normal. »Willst du gleich anfangen oder erst dein neues Domizil in Augenschein nehmen?«
    »Es ist also abgemacht?«, hakte Viktor nach.
    »Es ist eine Frage der Fakten, wie du gesagt hast, Viktor. Ich bin Geschäftsmann und ich hoffe, das ist eine Basis, auf der wir uns treffen können. Unter der Bedingung, dass du dir auch der damit verbundenen Verantwortung bewusst bist.«
    Viktor nickte. »Und das nötige Taktgefühl mitbringe, wenn ich mich recht erinnere, Onkel. Und da du gefragt hast: Ich glaube, ich würde zuerst gerne meine Wohnung sehen.«
    »Deine Tante hat sich bisher nicht überwinden können, oben sauberzumachen. Aber das wird für dich ja kein Problem sein.« Sein Onkel schaute auf die Uhr. »Das Abendessen ist für sieben Uhr fünfzig
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