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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt
Autoren: Len Deighton
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wirst du jeden kriegen, den du verlangst.« Bernard antwortete nicht. Schön wäre es. Er war jetzt Mitte Dreißig,

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    und obwohl er Bürohengste eigentlich verachtete, wollte er nicht so enden wie der arme alte Max. Max war weder das eine noch das andere. Er war zu alt für Schießereien, zu alt, in anderer Leute Häuser einzubrechen und Grenzposten davonzulaufen, aber er konnte nichts anderes. Nichts jedenfalls, womit er sein Brot hätte verdienen können.
    Bernards Bemühungen, seinen Vater zu überreden, Max einen Posten als Ausbilder zu verschaffen, waren an dessen Vorurteilen gescheitert. Bernards Vater hatte für Max nichts übrig. Irgendwie hatte Max sich mit allen verfeindet, die ihm hätten nützlich sein können. Der arme Max. Bernard bewunderte ihn aus ganzem Herzen, und Bernard hatte ihn bei der Arbeit gesehen, die Max besser machte, als jeder andere sie gemacht hätte. Aber nur der Himmel wußte, wie er einmal enden würde. Ja, ein Posten hinter einem Schreibtisch in London wäre an diesem Punkt seiner Laufbahn für Bernard genau das richtige.
    Danach sagte eine Weile keiner ein Wort. Während der letzten paar Meilen Wegs hatte Bernard alles getragen. Beide waren erschöpft, und wie Frontsoldaten hatten sie gelernt, sich eine Gelegenheit zur Rast nie entgehen zu lassen. Beide dämmerten in jenen Halbschlaf mit gespitzten Ohren hinüber, mit dem sie sich begnügen mußten, bis sie über die Grenze und außer Gefahr waren.
    Ungefähr dreißig Minuten später rüttelte sie das dumpfe Klopfen eines Hubschraubers hellwach. Das Ding war mittlerer Größe, kein Transporter, und flog langsam und ziemlich niedrig, dem Geräusch nach zu urteilen nicht mehr als tausend Fuß hoch. All das versprach nichts Gutes. Die Deutsche Demokratische Republik war nicht reich genug, derartig teure Benzinfresser in anderer als sehr ernster Absicht einzusetzen.
    »Scheiße!« sagte Max. »Die Bastarde suchen uns.« Trotz der Erregung, die aus ihr sprach, machte er die Bemerkung in so leisem Ton, als fürchtete er, die Männer im Hubschrauber

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    könnten ihn hören.
    Die beiden Männer in dem dunklen Zimmer bewegten sich nicht und sprachen auch nicht weiter. Sie lauschten. Die Spannung wurde fast unerträglich. Der Hubschrauber flog nicht in gerader Linie, und das war ein besonders schlechtes Zeichen. Es bedeutete, daß er das Gebiet erreicht hatte, das er absuchen sollte. Im Zickzackkurs schien er ein Dorf nach dem anderen anzupeilen. Offenbar suchten sie nach Bewegung: nach allem, was sich bewegte. Draußen lag tiefer Schnee.
    Sobald es hell wurde, konnte sich da nichts mehr bewegen, ohne gut sichtbare Spuren zu hinterlassen.
    In dieser Gegend genügte es schon, aus dem Haus zu gehen, um Verdacht zu erregen. Nach Einbruch der Dunkelheit war nirgends mehr was los, hier wohnten nur einfache Leute, Bauern.
    Sie aßen nicht so aufwendig zu Abend, daß sie daran hätten denken können, Dinner-Partys zu geben, und für Restaurants hatten sie kein Geld. Was die Hotels betraf: Wer würde auch nur eine Nacht dort verbringen wollen, wenn er die Mittel dazu hatte, weiterzufahren?
    Das Geräusch des Hubschraubers verstummte plötzlich, als die Maschine hinter einem bewaldeten Hügel abtauchte, und fürs erste war die Nacht wieder still.
    »Komm, wir hauen ab«, sagte Max. Ein so plötzlicher Aufbruch würde zwar gegen alle ihre Pläne verstoßen, aber Max war – in noch höherem Maße als Bernard – ein Mann plötzlicher Entschlüsse. Er hatte seinen »Riecher«. Er legte zusammengefaltete Zeitungen um seinen Arm für den Fall, daß Blut durch das Handtuch sickerte. Dann wickelte er Schnur um den Mantelärmel, und Bernard zurrte diese fest.
    »Okay.« Bernard hatte sich schon vor langem ein für allemal davon überzeugt, daß Max – trotz seiner Unfähigkeit, häusliches Glück zu finden oder sein berufliches Geschick zur Beförderung einer irgendwie erfolgreichen Karriere

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    einzusetzen – einen unheimlich sicheren Instinkt für drohende Gefahr hatte. Ohne zu zögern und ohne sich von seinem Stuhl zu erheben, lehnte Bernard sich vor und hob den großen Teekessel vom Ofen. Dann nahm er mit dem Feuerhaken die Herdringe heraus und goß Wasser in die Glut. Er tat das sehr vorsichtig und langsam, aber eine Menge Dampf gab es trotzdem. Max wollte ihn davon abhalten, aber der Junge hatte natürlich recht. Besser, wenn er das gleich tat, anstatt zu warten, bis vielleicht dieser lausige Hubschrauber über dem Schornstein
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