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Geliebter Normanne

Geliebter Normanne

Titel: Geliebter Normanne
Autoren: Rebecca Michéle
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»Ihr scheint mir weder an üppigen Festgelagen noch an den heißen Blicken, die so manche Dame Euch zuwirft, interessiert zu sein. Ich mache Euch einen Vorschlag: Die nächsten Wochen brauche ich Eure Hilfe im Nordosten des Landes, dort kam es zu einem Aufstand gegen unsere Männer. Wenn Ihr das für mich regelt, gestatte ich Euch, nach dem Jahreswechsel den Hof zu verlassen und nach Cornwall zu reiten.«
    Bosgards steingraue Augen strahlten. Spontan griff er nach der Hand des Königs und drückte sie. Er war einer der wenigen Männer, die sich eine solche Vertraulichkeit erlauben durften, denn William betrachtete ihn mehr als Freund denn als Untertan.
    »Ich danke Euch, mein König. Noch heute breche ich nach Norden auf. Ihr wisst, dass mich das Hofleben nicht befriedigt, zudem würde ich gerne mehr von England und seinen Bewohnern kennenlernen.«
    William nickte wohlwollend und gab Bosgard mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er sich entfernen durfte.
    Zur selben Zeit in Cornwall
    Hayla hatte in dieser Nacht keinen Schlaf gefunden, sondern in banger Erwartung ausgeharrt. Seit dem Auffinden Erics und seiner Schwester waren alle in der Burg in hektische Betriebsamkeit verfallen. Einige waren nach Westen geflohen, in der Hoffnung, die Normannen würden nicht weiter vorstoßen. Aber jetzt im Winter bot der Wald zu wenig Nahrung, um überleben zu können. Die Verbliebenen versuchten, das Anwesen, das den Namen Burg kaum verdiente, mit den wenigen Materialien und Hilfsmitteln, die ihnen zur Verfügung standen, zu befestigen. Die hölzerne Palisade, die sich um alle Gebäude zog, wurde notdürftig geflickt und verstärkt, und alle verfügbaren Messer, Sicheln und Schwerter wurden geschliffen. Hayla beobachtete das Treiben mit Skepsis. Auf Penderroc lebten nur fünf Männer im kampffähigen Alter, alle anderen waren entweder Kinder, Greise, Krüppel oder Frauen. Die Normannen besaßen weitaus bessere Waffen, sie kamen zu Pferde und trugen Rüstungen. Hayla fand es wesentlich vernünftiger, den Besitz widerstandslos zu übergeben, als sich auf einen Kampf einzulassen, der nur Tote und Verletzte fordern würde.
    »Hast du vergessen, dass Erics Vater einfach niedergemetzelt wurde?«, mahnte Waline, als Hayla ihr dies unterbreitete. »Wenn die Normannen kommen, dann werden sie uns so oder so töten. Wir müssen zumindest versuchen, unsere Ehre zu verteidigen, auch auf die Gefahr hin zu sterben. Lieber tot als Sklave eines verhassten Herrn.«
    Hayla teilte die Meinung der Magd nicht, denn trotz allem hing sie an ihrem Leben. Waline hatte sie zu überreden versucht, mit den anderen weiter nach Westen zu fliehen, aber Hayla hatte dies abgelehnt. Auch wenn es auf Penderroc nur wenig gab, so hatte sie hier doch eine neue Heimat gefunden und wollte sich nicht erneut auf die Flucht begeben müssen.
     
    Sie kamen an einem klaren, kalten Tag. Hayla sah den Tross vom Söller aus und erstarrte. Sie faltete die Hände vor der Brust und murmelte ein Stoßgebet, dass der neue Herr sie nicht gleich umbringen möge. Hayla zählte rund drei Dutzend bewaffnete Männer zu Pferde und in Rüstungen. Es waren zwar nicht so viele wie von Eric geschätzt, aber genügend, um zu erkennen, dass Penderroc dieser Übermacht nicht standhalten konnte. Ein paar mutige Männer wagten es, sich den Feinden entgegenzustellen, aber mit ihren unzureichenden Waffen, die aus Dreschflegeln und Holzstöcken bestanden, wurden sie einer nach dem anderen niedergeschlagen. Zwei Männer starben, und als die Normannen begannen, das Tor einzureißen, wurde dieses für den neuen Herrn geöffnet, damit nicht noch mehr Blut floss. Am Vortag hatte sie mit Waline vereinbart, sich im Hintergrund zu halten. Sie musste verhindern, dass die Normannen erfuhren, dass hier ein Mündel des einstigen Königs lebte. Als der Trupp in den Hof einritt, betrachtete Hayla den Mann mit der prächtigsten Rüstung genauer. Wegen des Helmes konnte sie nur seine gebogene Nase, seine Mundpartie und ein spitzes Kinn erkennen. Unwillkürlich dachte Hayla, dass der Mann einen brutalen Zug um den Mund hatte, was nicht verwunderlich war, dachte man an die Morde an Erics Vater und Bruder. Als er absaß und den Helm abnahm, erkannte Hayla, dass er mittelgroß und dunkelhaarig war. Sie war verwundert, denn sie hatte sich die normannischen Eroberer bisher immer als große, kräftige, blonde Hünen vorgestellt. Der Mann blickte in die Runde. Ängstlich zusammengedrängt standen die Leute im Hof, die
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