Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Titel: Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte
Autoren: Kristin Ganzwohl
Vom Netzwerk:
Weinsorten, korrektes Probieren im Restaurant, gute und schlechte Weine und den richtigen Wein zum Essen zu lernen. Das Seminar war jedoch alles andere als eine theoretische Angelegenheit; es handelte sich eher um eine ausufernde Weinprobe, wie wir nach kürzester Zeit feststellten. Wir probierten uns durch zwanzig Weine, versuchten dabei Johannisbeeren, Man darinen, Walnüsse, Mangos, Schmieröl, Blumenerde, Kup fer und sogar Kuhmist-Aromen herauszuschmecken. Wir schwenkten, schnupperten, schmatzten, gurgelten und stopften uns nebenher mit Salami, selbst gebackenem Brot und Käsewürfeln voll. Am Ende kicherten wir nur noch – ich hatte es längst aufgegeben, mir irgendetwas zu mer ken. Wir wankten Arm in Arm nach Hause mit dem festen Vorsatz, so bald wie möglich das Fortgeschrittenen-Seminar zu besuchen.
    »Meinst du, der fragt uns ab, bevor wir mitmachen dürfen?«, lallte ich. »Dann können wir’s nämlich vergessen, der stuft mich sofort zurück in den Anfänger-Kurs. Ich weiß jetzt schon nix mehr.«
    »Ich sag dir vor«, antwortete Claus, der deutlich nüchterner war. »Darin bin ich Profi.«
    Wir lachten, und ich gab ihm ein Küsschen auf die Wange.
    Das Geständnis, Elke, der Mord, alle Schwierigkeiten waren für einen Abend lang völlig verschwunden. Wir waren ein ganz normales Paar; es fühlte sich an wie am Anfang unserer Beziehung, als ich noch nichts wusste.
    Wir brauchen mehr solcher Momente, denke ich und zupfe an dem taubenblauen Sitzkissen, viele, viele, viele mehr. Diese schönen Momente müssen ein Gegengewicht zu Claus’ Vergangenheit bilden. Dann wird alles gut.
    Obwohl mich diese erste Paartherapiestunde angestrengt und ermüdet hat, ist sie nicht die letzte. Claus und ich sind uns einig, dass es etwas gebracht hat, darum gehen wir wieder hin. Lernen neue Kommunikationstechniken und kommen uns lächerlich vor. Zwei Stunden lang muss der eine etwas sagen, auf das der andere nicht sofort antwortet, sondern das gerade Gehörte zusammenfasst und dann nachfragt, ob er alles richtig verstanden hat. Erst danach darf er eine Antwort geben – die der Gesprächspartner dann wieder mit eigenen Worten zusammenfasst, bevor er seinerseits reagiert.
    Es ist mühsam. Es nervt. Und ich weiß nicht, ob es uns weiterbringen wird. Claus sieht nicht aus, als würde er mir in Liebe begegnen wollen, sondern als würde er gleich das Gefühlsbrett gegen die Wand schmeißen.
    »Ist Ihnen das jetzt zu viel?«, fragt ihn die Therapeutin.
    »Nein, nein, überhaupt nicht«, antwortet Claus.
    Ich glaube ihm kein Wort.
    Die Therapeutin auch nicht: »Sie sehen aber so aus.«
    Doch auch diese Sitzung bringen wir hinter uns, zahlen unsere zweihundert Euro für zwei Stunden und gehen nach Hause. Meine Frage, inwieweit der Mord und Claus’ Vergangenheit unsere Beziehung überschatten, kann die Therapeutin nicht beantworten.
    »Das kann ich Ihnen leider auch nicht sagen, wie sich das auswirkt.«
    Wie sollte sie auch, nach diesen paar Stunden?
    Gibt es überhaupt eine Antwort darauf? Ich bin kurz davor, aufzugeben.
    Sonntagsfrühstück in meiner Küche. Claus ist wie immer früher aufgestanden und hat bereits einen Halbmarathon hinter sich. »Nein, mehr als einen Halbmarathon«, korrigiert er mich. »Dreiundzwanzig Kilometer.«
    Ich streiche Butter auf die noch warme Brezel, die er mir mitgebracht hat, beiße hinein und schaue ihn an.
    »Ach so. Wahnsinn«, sage ich mit vollem Mund und meine es genau so. Nach wie vor ist es mir völlig schleierhaft, wie man vor dem Frühstück dreiundzwanzig – ich betone: dreiundzwanzig – Kilometer laufen kann, und das auch noch bei Nieselregen. Doch Hauptsache, es macht ihn glücklich. Und noch wichtiger: Ich muss nicht mitkommen.
    Wie immer ist Claus ganz aufgedreht und erzählt davon, wie er seine Trinkflasche im Gebüsch versteckt hat, um sie nicht mittragen zu müssen; wie gut sich die neue Trainingsjacke auf der Haut anfühlt, auch wenn die Farbe eigentlich nicht nach seinem Geschmack ist – ein grelles Blau … »Oder was denkst du?«, fragt er. »Ich steh auf kräftige Farben. Keine halben Sachen. Das weißt du doch.« Ach ja, und wie vielen anderen Joggern er trotz des miesen Wetters im Englischen Garten begegnet ist.
    Ich rühre in meiner Tasse um und nehme einen Schluck Kaffee.
    »Unglaublich.«
    Auf meinen Knien liegt ein Artikel aus dem Gesellschaftsteil der FAS . Er passt nicht ganz zu unserer Situation, zumindest will ich das nicht hoffen. Die Überschrift lautet nämlich:
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher