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Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Titel: Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte
Autoren: Kristin Ganzwohl
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»Wenn die Liebe geht«. Hängen geblieben bin ich an der Unterzeile: »Von Tätern und Opfern in Partnerschaften«. Claus ist ein Täter. Aber bin ich ein Opfer?
    Der Paartherapeut Ulrich Clement nennt in diesem Artikel die »Grundfigur aller Paarkonflikte schlechthin: Wenn es schlecht läuft, ist der andere immer ein bisschen mehr schuld als ich selbst«. Denn: »Keiner hat gern Schuld. In moralischer Hinsicht ist die Opferrolle überlegen.« Interessanterweise, so steht es in der Zeitung, habe der Paartherapeut immer nur mit Opfern zu tun, als Täter sehe sich bei Paarkonflikten kaum jemand.
    Ich blicke aus dem Küchenfenster auf Claus’ und Elkes alte Wohnung.
    Elke war ein Opfer, ein wirkliches Opfer. Ich bin keines.
    Ich habe mich freiwillig dafür entschieden, mit Claus zusammen zu sein und zu versuchen, eine Beziehung auf zubauen, trotz aller Schwierigkeiten. Es ist das, was ich mir wünsche. Oder?
    Abends wollen wir ins Kino gehen. Das heißt: Ich will. Claus lässt sich widerstrebend mitschleifen. Als ich ihm letzte Woche von dem Film vorgeschwärmt habe, sagte er nach einigem Zögern: »Na gut, ich komme mit. Das über stehe ich. Stadelheim habe ich schließlich auch über standen.«
    Ich fand diesen Spruch nicht besonders lustig und dachte daran, wie viel Spaß ich mit Olaf oder Hannah gehabt hätte, die das Erscheinen dieses Films genau wie ich kaum erwarten konnten. Es machte mich wie immer traurig, zu erkennen, wie wenig wir gemeinsam haben, wie schwer es uns fällt, etwas zu finden, an dem wir beide Spaß haben. Trotzdem sagte ich nichts, sondern quetschte nur ein »Haha« hervor. Und fügte hinzu: »Lieb, dass du dich überreden lässt.«
    Der Film beginnt um acht. Als ich um Viertel nach sieben zum Aufbruch mahne, sagt Claus: »Jetzt schon?«
    »Ja, wir müssen die Karten eine halbe Stunde vorher …«
    »Ich hatte dir doch gesagt, du sollst reservieren.«
    »Hab ich doch.«
    »Ja, aber so reservieren, dass wir sie jederzeit am Automaten abholen können, damit wir nicht so früh losmüssen. So wie ich es beim letzten Film gemacht habe. Ich habe echt keine Lust, jetzt schon dorthin zu dackeln und dann ewig rumzustehen.«
    »Sorry, das hab ich irgendwie verdaddelt. Wir müssen sie an der Kasse abholen. Ist doch jetzt nicht so …«
    »Wann hast du denn reserviert?«
    »Heute Nachmittag.«
    »Heute? Nachmittag? So spät? Hast du denn noch gute Plätze bekommen?«
    »Geht so, also eher am Rand, aber …«
    »Das gibt’s doch jetzt nicht. Ein 3-D-Film in Überlänge, und wir sitzen am Rand.«
    »Die sind wirklich nicht schlecht, die Plätze, ehrlich. Ich …«
    »Und warum hast du nicht schon letzte Woche bestellt, als wir darüber gesprochen haben?«
    »Weil, weil, weil … Verdammt, ich weiß es auch nicht. Ich habe es einfach vergessen.«
    Ich denke an den Satz der Therapeutin, dass mich Claus in solchen Momenten nicht angreifen oder herabsetzen will, sondern dass das seine Art ist, mir zu helfen. Leider fühlt es sich überhaupt nicht danach an. Und diese dauernden Unterbrechungen mitten im Satz machen mich wahnsinnig.
    »In Liebe begegnen. In Liebe begegnen. In Liebe begegnen«, murmle ich.
    »Was?«, fragt Claus.
    »Ich bin sauer«, fauche ich, »total sauer. Musst du mich eigentlich immer wegen allem niedermachen, verdammt?«
    So viel zu meiner Fähigkeit, die Ratschläge der Therapeutin umzusetzen.
    Wir gehen nicht ins Kino. Wir streiten. Nach einer halben Stunde geht es wieder um Trennung. Von der Kinokarte zur Trennung in dreißig Minuten. Es geht immer schneller.
    Claus verlässt die Wohnung. Natürlich knallt er dabei nicht mit Türen, wie ich es immer mache, er zieht sie vorsichtig hinter sich zu. Wie immer rührt es mich, dass er bei jedem Streit versucht, so ruhig wie möglich zu bleiben und einen Konflikt unter keinen Umständen eskalieren zu lassen. Ich nehme an, das hat er jahrelang in Therapien trainiert. Leider kompensiert er das gern mit dummen Sprüchen und kleinen Gemeinheiten. Die Rollen sind beim Streiten inzwischen glasklar verteilt: Ich werde laut, er wird gemein. Mir fällt der Satz aus der Zeitung ein: Wenn es schlecht läuft, ist der andere immer ein bisschen mehr schuld als ich selbst. In diesem Fall ist Claus aber wirklich ein bisschen mehr schuld, denke ich, schließlich hat er … Ach, Quatsch. Ich habe mich genauso beschissen verhalten. Aber er war noch schlimmer als ich, beschließe ich und tue mir leid.
    Laut den Paartherapeuten in dem FAS -Artikel greift in solchen
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