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Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Titel: Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte
Autoren: Kristin Ganzwohl
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ratlos, wenn ich sie darum bitte, mir zu sagen, wie ich denn mit dem Ganzen umgehen und leben soll. Wie ich mit der Unsicherheit und dem Gefühlschaos klarkommen soll. Was sie an meiner Stelle tun würden. Ob sie sich vorstellen könnten, ihre Zukunft mit einem Mörder an ihrer Seite zu planen. Auf einen Exknacki zu bauen.
    Dann schweigen alle betreten und sagen irgendwann Ähnliches wie: Na ja, um eine Therapie kommt ihr wahrscheinlich nicht herum; hättet ihr schon viel früher damit anfangen sollen; da muss er halt irgendwie durch; du musst ihm einfach sagen, wie wichtig das für euch ist.
    Als ob ich das nicht tausendmal gemacht hätte.
    Wir sind jetzt endlich hier, aber es fühlt sich an, als wäre es zu spät.
    Wir streiten zu oft, zu heftig, zu laut, die Auslöser sind – wie bei vielen anderen Paaren – absurd, nichtig, lächerlich. Doch ich weiß nicht, ob es sich um ganz normale Pärchenprobleme handelt, ob wir einfach zu unter schiedlich sind – oder ob Claus’ Vergangenheit bei alldem eine Rolle spielt.
    Neulich zum Beispiel. Ich hatte mir eine schlimme Erkältung eingefangen mit allem, was dazugehört: Husten, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen – ich fühlte mich hundeelend. Claus war auch angeschlagen, brachte mir aber trotzdem eine Dose Hühnersuppe vorbei, die ja als Hausmittel gegen Erkältungskrankheiten gilt, auch wenn ich nicht mehr weiß, warum. Lieb, fürsorglich, zuvorkom mend – mir wird jetzt noch ganz warm ums Herz, wenn ich an diese Erste-Hilfe-Aktion von ihm denke. Dann jedoch lief wieder einmal alles schief. Ich stand ungekämmt und fiebrig mit meinem alten, ausgefransten Bademantel in der Küche, öffnete die Dose und kippte ihren schwabbeligen Inhalt in einen Topf. Claus saß auf einem Küchenstuhl, beschwerte sich wie immer darüber, wie unbequem und hart meine Stühle seien – und fing an, Ratschläge zu erteilen und Handlungsanweisungen zu geben.
    Weißt du überhaupt, wie man Dosensuppe macht – ich meine, du hast ja noch nicht mal ’ne Mikrowelle. Du musst den Herd schon etwas höher drehen, sonst wird das ja nie warm. Mit einer Mikrowelle wäre das in wenigen Sekunden fertig. Hast du umgerührt, du musst unbedingt umrühren. Hast du überhaupt irgendwas Vernünftiges zum Umrühren? Aus diesem Minischüsselchen willst du die Suppe essen? Hast du nix anderes, einen normalen Suppenteller? Also, ich verstehe nicht, warum du den Herd nicht auf die Höchststufe drehst, ich mache das immer so. Kannst du mir einen anderen Löffel geben, der hier ist nicht ganz sauber. In der Mikrowelle wäre das längst warm. Und so weiter und so fort.
    All das sagte ein Mensch, der in seiner nicht allzu sauberen Ein-Quadratmeter-Küche höchstens mal eine Fertigpizza in den Ofen schiebt oder eine Thunfischnudelpfanne zusammenrührt – das Rezept dazu hat er im Knast gelernt.
    Anfangs blieb ich freundlich. Ich beantwortete geduldig jede Frage, rührte brav um, stellte gehorsam den Herd höher, holte schnell einen großen Suppenteller aus der Spülmaschine und wusch ihn mit der Hand ab, brachte ihm mit einer Entschuldigung einen neuen, sauberen Löffel. Dann bat ich darum, mich doch bitte einfach machen zu lassen, da ich trotz meines Fiebers durchaus in der Lage sei, eine Dosensuppe aufzuwärmen.
    Ich stellte mir vor, ich würde gerade nicht diese Suppe heiß machen, sondern ein Baby aus meinem Körper pressen oder wickeln oder stillen oder baden oder anziehen. Würde Claus dann auch hinter mir stehen und in jeder Sekunde Regieanweisungen geben? Ein grauenhafter Gedanke. Wie sollen wir beide ein Kind aufziehen, das er sich so sehr wünscht, wenn er mir noch nicht einmal zutraut, eine Dosensuppe aufzuwärmen?
    Ich merkte, dass es in mir anfing zu brodeln wie im Suppentopf vor mir. Und irgendwann – ich glaube, nach seiner Bemerkung, dass ich während des Essens den Deckel auf den Topf legen solle, damit die Suppe warm bliebe – verlor ich die Fassung und fuhr ihn an: »Hältst du mich eigentlich für komplett bekloppt? Zu doof für eine Dosensuppe? Was soll diese ununterbrochene Besserwisserei, Nörgelei und Rumerzieherei? Warum kannst du mich nicht einfach mal machen lassen und den Mund halten?«
    Natürlich war ich für Claus’ Geschmack viel zu laut. Und schon waren wir im schönsten Streit, in dem es nach einer Stunde wieder mal um Trennung ging. Von der Dosensuppe zur Trennung in einer Stunde – darin sind wir Weltmeister.
    Oder wie gerade eben auf dem Weg zur Paartherapie. Claus holte
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