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Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Titel: Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte
Autoren: Kristin Ganzwohl
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jedes Mal ärgere ich mich schrecklich über mich selbst. Wir kann man in diesem, meinem, hohen Alter nur so unglaublich bescheuert, kindisch und albern sein, frage ich mich?
    Noch dazu, wo diese Therapeutin sehr sympathisch und kompetent wirkt – auch wenn sie eindeutig zu selten lüftet.
    Claus hat mich vorgewarnt. Er sagte, es könne uns passieren, dass wir gleich wieder weggeschickt werden, weil sich die Psychologin den Fall nicht zutraut. Noch weiß sie nichts über uns, und wir sind ja nicht gerade ein Durchschnittspärchen. Claus spricht aus Erfahrung. Eine Psychologin lehnte ab, ihn zu behandeln, als er direkt nach der Haftentlassung einen geeigneten Therapieplatz suchte – das gehörte zu seinen Bewährungsauflagen. Ich hatte mir früher immer vorgestellt, dass entlassenen Strafgefangenen automatisch ein Therapeut zugewie sen wird, ähnlich wie ein Bewährungshelfer. Doch bei Claus war das nicht der Fall, er musste sich selbst darum kümmern.
    »Und diese Psychologin sagte damals ganz klar zu mir: ›Das ist mir zu hart, damit kann ich nicht umgehen, da fühle ich mich überfordert.‹ So was muss man natürlich akzeptieren, ist ja auch durchaus verständlich. Und es ist mir lieber, sie sagt es gleich als erst nach ein paar Stunden.«
    Unsere Therapie-Blondine bleibt jedoch bewundernswert gelassen, als Claus gleich in den ersten Sätzen von dem Mord an Elke berichtet. Er benutzt ähnliche Formulierungen wie damals, als er es mir gestanden hat. Wieder einmal wird mir bewusst, wie oft er diese Geschichte schon erzählt haben muss – wieder und immer wieder.
    »Direkt nach der Haft habe ich quasi ununterbrochen davon gesprochen. Wieso, weshalb, warum; natürlich habe ich auch von der Zeit im Gefängnis berichtet, und dann wieder wieso, weshalb, warum. Immerzu und immer wieder, und zwar so lange, bis meine Freunde sagten: ›Hör auf, wir können es nicht mehr hören.‹« Das hat er mir vor Kurzem mal erzählt.
    Und genau das ist eines unserer Probleme, denke ich. Claus’ Freunde, Bekannte, seine Familie und auch er selbst hatten viele Jahre Zeit, sich mit der Sache auseinanderzusetzen, den Schock zu überwinden, zu trauern und eine Methode zu finden, damit umzugehen. Ich hatte das nicht.
    Nur eine Sekunde lang hatten sich die Augen der Therapeutin geweitet, als Claus den Satz »Ich habe meine langjährige Freundin ermordet und bin deshalb zu einer elfjährigen Haftstrafe verurteilt worden« ausspricht, dann hat sie sich wieder im Griff.
    Natürlich werde sie mit uns arbeiten, wenn wir das möchten, sagt sie. Es gebe keinen Grund, uns abzulehnen, und ein Problem mit Claus habe sie deshalb auch nicht, außerdem habe er ja seine Haftstrafe abgesessen. Sie lächelt uns zu, und wir alle nicken gleichzeitig.
    Ich habe es also geschafft, bin endlich da, wo ich seit Monaten sein möchte: in einer Therapie, zusammen mit Claus. Doch es fühlt sich nicht an wie ein Sieg oder ein Triumph, mich überkommt noch nicht einmal Erleichterung, denn ich habe das Gefühl, diese Paartherapie erzwungen zu haben. Zu oft hat Claus wiederholt, dass er zwar mitmachen wird, wenn ich darauf bestehe, aber »nur wegen dir«. Zu lange hat er Ausreden erfunden, die ganze Sache hinausgezögert, meine Bitten und Nach fragen mit einem Nicken oder einem Lächeln vom Tisch gewischt.
    So lange, bis in mir Zweifel wuchsen, wie wichtig ich ihm wirklich bin, und ich mich zu fragen begann, ob ich seinen ganzen Versprechungen und großen Worten trauen kann.
    So lange, bis ich ihm in einem weiteren, ziemlich schlimmen Streit mit Trennung gedroht habe, sollte er sich nicht endlich um die Paartherapie kümmern. Auch bei dieser Auseinandersetzung habe ich Claus’ Zahnbürste in meinem Bad zerbrochen und das neue, inzwischen gerahmte Foto von uns beiden in den Mülleimer geworfen. Ja, diese Zahnbürsten-Zerstörungswut ist in etwa so kindisch und klischeehaft wie meine Eifersucht auf alle Blondinen, aber es ist außerdem noch etwas anderes: eine ziemlich hilflose Reaktion. Und genauso fühle ich mich auch. Hilflos.
    Alle meine Freunde haben vollstes Verständnis für Claus’ Verzögerungstaktik beim Thema »Paartherapie«. Ich höre von ihnen Sätze wie: Ist doch logisch, dass der die Nase voll hat; kann ich gut verstehen; nach zehn Jahren Therapie hättest du auch keine Lust mehr; der will jetzt einfach nach vorn blicken und nicht dauernd zurück; Therapie-Overkill – das letzte Statement stammt natürlich von Olaf. Zugleich sind aber auch alle
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