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Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Titel: Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte
Autoren: Kristin Ganzwohl
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der Bademantel. Es ist nur …«
    Sie löste sich aus der Umarmung und guckte mich an.
    »Was ist denn los, Süße?«, fragte sie.
    Ich erzählte es ihr.
    Sie war ganz still, schüttelte nur manchmal ein kleines bisschen den Kopf.
    Dann, nach einer langen Pause: »Nein«, sagte sie. »Nein, nein, nein, das kann nicht sein.«
    »Doch«, sagte ich.
    »Aber er ist so nett, so sympathisch, so gut aussehend, so durch und durch …«
    Ich blickte auf den Boden, eine Träne tropfte auf meinen Schuh.
    »Entschuldige, bitte entschuldige. Das war total bescheuert. Natürlich sieht man das nicht, ich …«
    Sie verstummte, schüttelte aber weiter den Kopf.
    »Und jetzt?«, fragte sie.
    Ich sah sie an.
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß es einfach nicht.«
    »Was soll ich denn jetzt machen?«, fragte Hannah. »Ich kann dich doch jetzt nicht allein lassen. Ich kann doch jetzt nicht wegfahren!«
    Ich bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Hannah war eigentlich schon auf dem Weg nach Köln zur alljährlichen Großfamilienweihnachtsfeier. Ihr Freund Jan saß zu Hause zwischen gepackten Koffern und mannshohen Geschenkstapeln und wartete auf sie.
    »Fahr los, bitte. Du kannst mir später helfen. Das Problem wird sich nicht in Luft auflösen und ganz bestimmt nicht kleiner werden, wenn man darüber schläft.«
    Ich versuchte, meine Mundwinkel Richtung Ohrläppchen zu schieben.
    »Oh, Süße, wie soll ich … Ich fasse es nicht …«
    Sie packte mich an der Schulter.
    »Und Hiddensee, die Ostsee, das Ferienhaus, meine ich? Wirst du mit ihm hinfahren?«
    »Ja«, sagte ich langsam. »Ich glaube schon.«
    Hannahs Handy klingelte oder vielmehr bellte. Ihr Klin gelton war das Bellen ihres Mischlingshundes Bolero, den sie letztes Jahr aus Spanien mitgebracht hatte. Sie ignorierte es.
    »Das ist Jan.« Sie klang schuldbewusst.
    »Hannah, bitte geh. Feiere Weihnachten, lass dich bekochen und beschenken. Streite mit deinen Schwestern. Und vor allem: Mach dir keine Sorgen. Er wird mir nichts antun. Ist doch Weihnachten.«
    Ich grinste und war mir unsicher, ob das passend war.
    »Das ist nicht lustig, nicht lustig, nein«, sagte Hannah, die sonst über jeden noch so schlechten Witz lacht. Ihr schräger Humor ist einer der Gründe, warum ich sie liebe.
    Wir schwiegen, schon wieder.
    Ich wusste, dass sie unter Schock stand. So wie ich. Nicht so schlimm wie nach einem schweren Autounfall, aber auf jeden Fall: unter Schock.
    Das Geständnis hatte sie, wie mich, sprachlos und hilflos gemacht.
    Jetzt knurrte ihr Handy wie Bolero – bestimmt eine SMS von Jan.
    »Hör zu«, sagte sie schnell. »Ruf mich an, wenn ihr im Ferienhaus seid. Jeden Tag. Morgens, mittags, abends, nachts. Regelmäßig. Oft. Öfter. Bitte, versprich mir das.«
    »Ich werde es versuchen«, sagte ich.
    Dann ging sie, kopfschüttelnd, als würde dadurch die Geschichte aus ihrem Kopf verschwinden.
    »Sag Jan noch nichts, bitte!«, rief ich ihr hinterher.
    Sie drehte den Kopf zu mir und machte vor ihren Lippen eine Bewegung, als würde sie einen Reißverschluss zuziehen. Sie warf mir den unsichtbaren Schlüssel zu. Ich tat so, als würde ich etwas auffangen.
    »Danke«, rief ich und musste ein Schluchzen unterdrücken.
    Dann kam Weihnachten, das sogenannte Fest der Liebe.
    Wie immer überstand ich Heiligabend zähneknir schend, verschloss meine Ohren vor den giftigen Bemerkungen meiner Mutter über meinen »unweiblichen Kurzhaarschnitt« und den peinlichen Altherrenwitzen meines Vaters. Ich tat so, als würde mir der Katzenkinderkalender gefallen und als hätte ich vor, den historischen Roman bald zu lesen, den meine Mutter mir überreichte – sie dachte tatsächlich, dass Mittelalter-Romane über »Wanderhuren« perfekt zu meinem Geschichtsstudium passten. Ihre Fragen zu meinem Liebesleben und wann ich denn endlich Enkel liefern würde, beantwortete ich mit einem verkniffenen Lächeln. O Gott, meine Eltern! Ich würde es ihnen nicht einmal erzählen, wenn mir der perfekte Märchenprinz einen Heiratsantrag gemacht hätte und ich im zwanzigsten Monat schwanger wäre.
    Als ich mich in meinem ehemaligen Kinderzimmer auszog und die Kleider über den eingestaubten Hometrainer meines Vaters legte, spürte ich, wie sehr ich mich nach Claus sehnte. Ich freute mich, ihn wiederzusehen und mit ihm ein paar Tage wegzufahren.
    »Vielleicht kann man lernen, damit umzugehen«, dachte ich, bevor ich einschlief.
    Ich träumte von einer hellblonden Frau, die auf einem kleinen Balkon in der Sonne saß und
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