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Geliebter, betrogener Mann

Geliebter, betrogener Mann

Titel: Geliebter, betrogener Mann
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Heimatzeitung, die Dr. Corbeck ihm nachschickte. Bei einer fast mechanischen Bewegung der Hand zum Glas stieß er gegen die Blumenvase auf dem Tisch, ließ die Zeitung fallen und fing die schwankende Vase auf, ehe sie völlig umkippte. Dabei sah er zufällig hinab ins Meer und bemerkte ein Ruderboot, das ein capresischer Fischer durch das blaue Meer trieb. Am Heck des Bootes saß eine Frau in einem grünen, mit roten Blüten übersäten Badeanzug. Der Wind, der um die Klippen zischte, wehte ihre Haare wie eine goldene Fahne vom Kopf.
    In Michael Pohland zerriß etwas. Er spürte es ganz deutlich. Es war, als bräche ein Stahlband auseinander, das bisher sein Herz umklammert gehalten hatte. Er atmete tief auf, und es war ein so herrliches, freies Atmen, daß er aufsprang und beide Arme ausbreitete.
    »Gerda!« schrie er. »Gerda!«
    Sie hörte ihn nicht. Das Meer, das über die Klippen schäumte, erstickte jeden anderen Laut um sie herum. Der Kellner des Cafés Adorno stürzte an den Tisch und richtete die umgestoßene Vase auf.
    »Signore«, sagte er betreten. »Va bene? Ist Ihnen übel?«
    »Ruhe!« rief Pohland. »Seien Sie ruhig.« Er legte die Hände wie einen Trichter vor den Mund und brüllte wieder. »Gerda! Gerda!« Der Kellner trat neben ihn und blickte hinunter in die Klippen. Dann verstand er und lächelte mit der Vertrautheit des Verstehens, das allen Südländern solchen Situationen gegenüber angeboren ist.
    »Bella Signorina …«, sagte er und blinzelte kameradschaftlich. Michael Pohland drückte ihm einen 1.000-Lire-Schein in die Hand.
    »Wo kann man die Boote leihen?« fragte er heiser vor Erregung.
    »Überall.« Der Kellner umschrieb mit einer Armbewegung die ganze Insel. »Überall liegen diese Boote. Sie kann von Norden kommen oder von Osten.«
    Pohland rannte aus dem Café. Die Zeitung flatterte über die Balustrade und schwebte ausgebreitet wie ein trunkener Schwan hinab zum Meer.
    Zum nächsten Bootssteg, dachte er. Und wenn dort ein Schiff liegt … ich miete das ganze Schiff. Sie ist auf Capri. Sie ist hier … hier … Und ich werde sie nicht wieder verlieren. Jetzt nicht mehr.
    Keuchend, schwankend vor Atemnot, gelangte er zum Meer. Ein alter Kahn mit einem röchelnden Außenbordmotor war alles, was noch am Ufer lag. Ein Fischer saß auf dem Bootsrand und drehte sich eine Zigarette.
    »Presto! Presto!« rief Pohland und warf dem verblüfften alten Mann 5.000 Lire in den Schoß. »Um die Ecke, zu den Klippen! Schnell!«
    »Grazie mille, Signore. Zu Blaue Grotte.«
    »Nicht Blaue Grotte! Nur um die Ecke. Dorthin!« Er zeigte auf einen Inselvorsprung, der den Blick zu der zerklüfteten Bucht verbarg. »Nun machen Sie doch! Legen Sie ab! Presto!«
    »Uno momento, Signore.« Der alte Fischer brannte seine Zigarette an, tat einen tiefen Zug und seufzte zufrieden. Dann tappte er zu dem alten Außenbordmotor, stieß das Boot mit einer Stange ins tiefere Wasser und gab ein wenig mehr Gas. Der Kahn zitterte heftig, aber er glitt schnell auf den Vorsprung zu. Michael Pohland kniete vorn auf einem schmalen, morschen Brett und hielt sich an zwei eisernen Ringen fest.
    »Schneller, schneller!« rief er.
    »Motor ist Großvater, Signore!« rief der Alte zurück. »Kann Großvater noch tanzen?«
    Endlich umfuhren sie den Landvorsprung. Die Welt der Felsen und Klippen öffnete sich. Der Alte drosselte den Motor. Pohland fuhr herum.
    »Was machen Sie denn da? Weiter!«
    »Spitze Steine …« Der Alte zeigte mit dem Daumen ins Meer. Sie fuhren durch eine Rinne, links und rechts von ihnen lagen messer scharfe Felsenkämme dicht unter der Wasseroberfläche. Ein Schwarm goldglitzernder Fische flüchtete vor ihnen her. In einer Bucht sah er endlich das Boot. Gerda Sanders war geschwommen. Sie mußte gerade zurück ins Boot geklettert sein und lag in der Sonne, ein grünrot schillernder Zauberfisch. Ihre nassen blonden Haare hingen über die Bordwand.
    »Dorthin!« sagte Pohland heiser. »Daneben.«
    »Si, si.« Der Alte grinste breit. »Pirat … nicht wahr, Signore?«
    Es dauerte wenige Augenblicke, bis ihr Kahn längsseits kam. Als die Bordwände einen Meter voneinander entfernt waren, schnellte sich Pohland ab. Er dachte nicht mehr daran, daß er seit Jahrzehnten nicht mehr gesprungen war, daß er die Entfernung verschätzen konnte, daß das Boot Gerdas durch den Aufprall umschlagen könnte … er sprang mit dem seligen Gefühl, daß es nichts mehr auf der Welt gäbe, was ihn zurückhalten könnte.
    Mit
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