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Geliebter, betrogener Mann

Geliebter, betrogener Mann

Titel: Geliebter, betrogener Mann
Autoren: Heinz G. Konsalik
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geschickt aus der Enge des Parkraumes herausdirigierte. Erst in diesem Augenblick fiel ihm ein, daß er weder wußte, wo sie in Lugano wohnte, noch wo sie in Deutschland beheimatet war.
    »Halt!« rief er und warf beide Arme hoch. »Halt!« Er lief über die Straße, aber sie bemerkte ihn anscheinend nicht, ganz mit dem Gegenverkehr auf der Straße beschäftigt. Dann gab sie Gas und heulte in Richtung Paradiso davon. Noch einmal schwenkte Pohland beide Arme und schrie: »Halt! Gerda! Warten Sie! Halt!«
    Sie sah es im Rückspiegel, aber sie warf den Kopf in den Nacken und sah wieder starr auf die Straße.
    Michael Pohland blickte ihr nach, bis sie im Gewühl der anderen Wagen untertauchte. Langsam ging er in Richtung Altstadt, blieb ab und zu stehen und sah über den im Mondschein silbern wiegenden See.
    In eine kleine Weinstube werde ich gehen, dachte er. In eine der alten Tessiner Grotti. Und in eine Ecke werde ich mich setzen, ganz allein, und wie zu einer Feier den dunkelroten Barbera trinken. Ob es ab heute einen neuen Michael Pohland geben wird? Oh, wenn das wahr würde, wenn das möglich werden könnte … diesen Druck von der Seele wegzuwälzen, dieses lähmende Gewissen durch ein neues Glück zu beleben … vergessen können, was bisher unvergeßlich schien.
    Morgen nachmittag um drei Uhr! Er wischte sich über das Gesicht und spürte, daß seine Hand zitterte. Ich werde glücklich sein. Wirklich, ich werde glücklich sein.
    Gerda Sanders kam nicht.
    Michael Pohland wartete bis halb fünf; zuerst trank er einen Campari, dann zwei Kognaks, schließlich einige doppelte Whisky pur. Als er spürte, wie der Alkohol nicht nur ins Hirn, sondern auch in die Knie zog, zahlte er und verließ in gezwungen steifer Haltung die Hotelterrasse. Auf dem Tisch blieb ein großer Strauß dunkelroter Rosen zurück. Dem Kellner, der ihm mit den Blumen nachrannte, winkte er zu und schüttelte den Kopf.
    »Wegwerfen!«
    Erst in seinem Hotelzimmer verließ ihn die Haltung. Er sank in einen Sessel und stützte den schweren Kopf in beide Hände.
    Ein Narr bin ich, dachte er bitter. Ein eingebildeter, blöder Narr! Warum sollte sie auch kommen? Ein paar Stunden in Sonne und Wasser, was sind sie schon? Nicht einmal eine Erinnerung! Er konnte Gerda Sanders verstehen, so wenig er sich jetzt selbst verstand. Er stand auf, starrte in den Spiegel und schüttelte den Kopf vor seinem Spiegelbild.
    »Du Narr!« sagte er wieder. Dann hielt er den Kopf unter die kalte Brause, bis der Alkoholnebel aus seinem Gehirn verjagt war.
    Mit dem Nachtzug fuhr er zurück nach Ebenhagen. Zum maßlosen Erstaunen der Putzfrau, die jeden Morgen in Pohlands Abwesenheit die große Stadtwohnung lüftete und dort Staub wischte, stand er vor dem Spiegel und rasierte sich, als sie Wasser aus dem Bad holen wollte.
    »Herr … Herr Generaldirektor!« stotterte sie überrascht. »Ich dachte …«
    »Bin gleich fertig.« Pohland tupfte sein Gesicht mit einem Tuch ab, schlüpfte ins Jackett und fuhr hinaus zu seinen Werken. Als er den großen Komplex der Hallen und Schlote vor sich auftauchen sah, die Kesselhäuser und Walzstraßen, Hochöfen und Formpressen, hielt er den Wagen an.
    Das gehört nur mir, dachte er. Seit vier Generationen haben die Pohlands daran gearbeitet, ein kleines Imperium zu schaffen. Vierzehntausend Familien finden hier ihr Brot, über neuntausend Kinder warten abends auf ihre Väter. Sie alle haben ein Zuhause, einen gedeckten Tisch, eine glückliche Gemeinschaft, eine kleine, eigene Welt. Und was habe ich?
    Er fuhr weiter, hinüber zu dem zehnstöckigen, aus Beton und Glas in den Himmel ragenden Verwaltungsgebäude, von dessen Dach in großen, blauen, nachts leuchtenden Buchstaben der Name ›Pohland-Stahl‹ über das Land schrie.
    Die Direktion erfuhr schon vom Portier, daß der Chef im Hause sei, als Pohland noch mit dem Fahrstuhl nach oben in den zehnten Stock schwebte, wo sich seine Büroräume befanden und sein Zimmer, von dem aus er durch eine Riesenscheibe das gesamte Werk überblicken konnte. In der getäfelten Diele, der Endstation des Aufzuges, stand bereits Dr. Corbeck, der Rechtsberater der Werke, und nahm Pohland in Empfang.
    »Aha! Das Warnsystem klappt vorzüglich!« sagte Pohland sarkastisch. »Ich nehme an, daß meine Direktoren sich erst mit einem Kognak stärken, ehe sie erscheinen.«
    »Wir haben Sie nicht erwartet, Herr Pohland.«
    »Das glaube ich. Aber nun bin ich da. Naturkatastrophen künden sich selten vorher
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