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Geliebte Feindin

Geliebte Feindin

Titel: Geliebte Feindin
Autoren: Julie Garwood
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und betrachteten jeden, der ihre Ehre kränkte, für immer als ihren Feind.
    Sara wußte schon lange, daß ihre Tante in Ungnade gefallen war, da es Nora streng verboten war, sie in London zu besuchen. Aber sie hatte gehofft, daß ihre Onkel mit der Zeit etwas nachgiebiger werden würden. Zu ihrem Leidwesen war jedoch genau das Gegenteil der Fall. Sie hatten sogar Saras Mutter verboten, mit ihrer Schwester zu sprechen.
    Sara hatte ihre Tante überreden können, sie nach London zu begleiten, und sie waren vor zwei Wochen im Hafen angekommen. Seither war Nora spurlos verschwunden.
    Sara wurde fast verrückt vor Angst. Der Zeitpunkt, an dem sie ihren Plan in die Tat umsetzen mußte, rückte immer näher, und ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Bis jetzt hatte Sara ein wohlbehütetes Leben geführt, und es hatte immer jemanden gegeben, der sich um sie gekümmert hatte, aber bei diesem Unternehmen war sie ganz auf sich allein gestellt. Sie betete zu Gott, daß sie der Aufgabe gewachsen sein möge – schließlich stand Noras Leben auf dem Spiel.
    Schreckensvisionen hatten die letzten zwei Wochen in einen Alptraum verwandelt. Jedesmal, wenn die Türglocke anschlug, war Sara daraufgefaßt gewesen, daß die Polizei die Nachricht überbrachte, daß Noras Leiche irgendwo gefunden worden war. Schließlich, als sie schon glaubte, die Anspannung nicht mehr ertragen zu können, hatte Nicholas, Saras treu ergebener Diener, bei seinen Nachforschungen Erfolg gehabt. Er hatte herausgefunden, daß die Winchester-Brüder Nora auf dem Dachboden in Onkel Henrys Stadthaus gefangenhielten, bis sie alle Vorkehrungen, die nötig waren, um Nora in ein Irrenhaus einweisen lassen zu können, getroffen hatten. Noras beträchtliches Vermögen wollten die Brüder unter sich aufteilen.
    »Diese Blutsauger«, zischte Sara. Ihre Hand bebte, als sie den Riemen, der ihre Reisetasche hielt, festzog. Sie versuchte sich selbst einzureden, daß sie vor Wut und nicht aus Angst zitterte. Jedesmal wenn sie an die schrecklichen Dinge dachte, die ihre Tante durchmachen mußte, wurde sie zornig und verfluchte ihre Verwandtschaft.
    Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen, trug die Tasche zum Fenster und warf sie hinaus.
    »Das ist die letzte, Nicholas. Beeil dich, die Familie kommt bald zurück. Viel Glück, mein Freund«, rief sie.
    Der Diener hob die Tasche auf und lief zu der wartenden Droschke. Sara schloß das Fenster, löschte die Kerze und legte sich angezogen ins Bett.
    Meistens kamen ihre Eltern gegen Mitternacht von den Abendgesellschaften zurück. Als Sara Schritte auf dem Korridor hörte, drehte sie sich auf den Bauch und stellte sich schlafend. Nur eine Sekunde später vernahm sie das leise Quietschen ihrer Schlafzimmertür. Sie wußte, daß ihr Vater in der Tür stand, um sich zu vergewissern, daß seine Tochter dort war, wo sie sein sollte. Sara kam es so vor, als würde er sie eine Ewigkeit anschauen, aber dann wurde die Tür geschlossen.
    Sara wartete noch eine halbe Stunde, bis sie sicher war, daß sich alle zur Ruhe begeben hatten, dann stand sie auf und sammelte ihre Sachen zusammen, die sie unter dem Bett verstaut hatte. Bei ihrem Vorhaben mußte sie möglichst unauffällig bleiben, und deshalb trug sie ein dunkelblaues Reisekleid. Es war am Hals ein wenig zu weit ausgeschnitten, aber Sara hatte keine Zeit gehabt, sich um dieses Problem zu kümmern. Ihr Mantel würde das Dekollete ohnehin verdecken. Sie war zu nervös, um sich ordentlich zu frisieren, deshalb band sie ihr Haar im Nacken zusammen, damit es ihr wenigstens nicht ins Gesicht fiel.
    Nachdem sie den Brief, den sie ihrer Mutter hinterlassen wollte, auf den Frisiertisch gelegt hatte, wickelte sie ihren Regenschirm, ihre weißen Handschuhe und ihr Retikül in den Mantel und warf das lose Bündel aus dem Fenster. Dann kletterte sie auf den Sims.
    Der Ast, den sie erreichen wollte, war nur einen halben Meter von der Hauswand entfernt, aber gut anderthalb Meter unter dem Fenster. Sara sandte ein Stoßgebet zum Himmel, als sie an die Kante des Fensterbretts rutschte.
    Dann stieß sie sich mit einem leisen Angstschrei, den sie nicht unterdrücken konnte, vom Sims ab.
    Nathan traute seinen Augen nicht. Gerade als er auf den großen Baum klettern wollte, öffnete sich das Fenster, und einige Gegenstände, die offensichtlich einer Frau gehörten, segelten durch die Luft. Der Regenschirm traf ihn an der Schulter. Der Mond spendete genügend Licht, so daß Nathan sehen konnte, wie Sara
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