Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geködert

Geködert

Titel: Geködert
Autoren: Len Deighton
Vom Netzwerk:
in das neue Haus in ihrem Element. Für sie war das ziemlich schäbige Reihenhaus mit dem abbröckelnden Putz, dem Schrumpfvorgarten und einem Seiteneingang, den man als Stellplatz für einen Wagen betoniert hatte, eine Gelegenheit, mir zu beweisen, wie unentbehrlich sie für mich war. Ein neuer Schauplatz, von dem sie hoffte, den Schatten meiner Frau Fiona fernzuhalten. Balaklava Road Nr. 13 sollte unser heimeliges Nest werden, der Ort, an dem wir von nun an glücklich miteinander leben würden wie die Paare am Ende der Märchen, die sie vor noch gar nicht so langer Zeit gelesen hat.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich liebte sie. Verzweifelt. Wenn ich unterwegs war, zählte ich die Tage – manchmal die Stunden –, bis wir uns wiedersahen. Aber trotzdem war mir bewusst, dass wir eigentlich nicht zusammenpassten. Sie war noch ein halbes Kind. Ehe sie mir begegnete, war sie mit Schuljungen ausgegangen, Jungen, die ihr bei den Mathematikaufgaben halfen und sie unregelmäßige Verben abfragten. Irgendwann würde sie plötzlich merken, dass da draußen die große, weite Welt auf sie wartete. Und wenn das passierte, war ich vielleicht inzwischen von ihr abhängig geworden. Aber was sage ich? Ich war jetzt schon abhängig von ihr.
»Ist alles gut gelaufen?«
»Alles in Ordnung«, sagte ich.
»Irgend jemand von der Zentralen Finanzierungsstelle hat dir eine Notiz auf den Schreibtisch gelegt … nicht nur eine, ein halbes Dutzend. Hat alles mit einem gewissen Prettyman zu tun.«
»Sonst irgendwas?«
»Nein. Es war sehr ruhig im Büro. Ungewöhnlich ruhig. Wer ist dieser Prettyman?«
»Ein Freund von mir. Sie wollen, dass er aussagt … Es geht um irgendwelches Geld, das spurlos verschwunden zu sein scheint.«
»Und er hat’s geklaut?« Das interessierte sie offensichtlich.
»Jim? Nein. Wenn Jim mal an die Kasse geht, dann nimmt er sich zehn Millionen, wenn nicht mehr.«
»Ich dachte, er wäre dein Freund«, sagte sie vorwurfsvoll.
»War nur ’n Scherz.«
»Also, wer hat das Geld gestohlen?«
»Niemand hat irgendwas gestohlen. Die Buchhaltung hat einfach wieder mal geschlampt.«
»Wirklich?«
»Du weißt doch, wie lange die Zahlstelle schon braucht, um eine Spesenabrechnung zu bearbeiten. Hast du die Anfragen gesehen, die sie zu meiner letzten Monatsabrechnung hatten?«
»Das sind nur deine Spesen, mein Lieber. Manche Leute kriegen sie innerhalb einer Woche abgezeichnet und ausbezahlt.«
Ich lächelte. Ich war froh, das Thema wechseln zu können. Prettymans Warnungen hatten eine dumpfe Angst zurückgelassen. Sie lag mir im Magen wie ein Stein.
In Rekordzeit hatten wir die Balaklava Road erreicht. Die Straße war gesäumt von kleinen viktorianischen Häusern mit großen Erkerfenstern. Hier und da fiel eine Fassade in geschmackvollem Pastellton auf. Es war Sonnabend. Trotz der frühen Stunde sah man schon Hausfrauen unter der Last ihrer Panikkäufe heimwärts wanken und Ehemänner die Familienautos wienern. Alle stellten jenen manischen Eifer und jene verbissene Energie zur Schau, die die Briten nur für ihre Hobbys aufwenden.
Der Nachbar, der die andere Hälfte unseres Zweifamilienhauses bewohnte – ein Versicherungsvertreter und leidenschaftlicher Gärtner –, pflanzte gerade seinen Weihnachtsbaum in den hartgefrorenen Boden seines Vorgartens. Die Mühe hätte er sich sparen können, die wachsen nie an. Er winkte uns mit der Schaufel zu, als wir in die schmale Einfahrt einbogen. Der Stellplatz war so eng, dass man kaum aus dem Wagen kam.
Gloria öffnete die frisch gestrichene Haustür mit stolzem Schwung. Der Flur war frisch tapeziert – große senfgelbe Blumen an kringeligen Stengeln –, und ein neuer Teppich lag auch da. Ich bewunderte alles gebührend. Auf dem Küchentisch stand ein Schlüsselblumenstrauß, gedeckt war er mit unserem besten Porzellan. Kristallgläser standen für den Orangensaft bereit, und geräucherter Bacon lag neben vier braunen Eiern am Herd parat, auf dem eine neue Teflonpfanne stand.
Ich ging mit ihr durch das ganze Haus und bewunderte alles, wie es meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit war. Die neuen Vorhänge waren wunderbar. Und wenn die dreiteilige braune Ledergarnitur ein bisschen niedrig war, so dass man Mühe hatte, sich daraus zu erheben – was machte das schon? Schließlich hatten wir ja eine Fernbedienung für den Fernseher. Doch als wir in die Küche zurückkamen und mir bald der Duft von gutem Kaffee und brutzelndem Speck in die Nase stieg, wusste ich, dass sie mir noch was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher