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Geködert

Geködert

Titel: Geködert
Autoren: Len Deighton
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anderes zu erzählen hatte. Es betraf offensichtlich nicht das Haus. Ich nahm an, dass es nicht sonderlich wichtig war. Aber da irrte ich mich.
»Ich habe gekündigt«, sagte sie, am Herd stehend, über die Schulter. Das Department zu verlassen, damit hatte sie schon unzählige Male gedroht. Bisher hatte sie aber ihren Zorn und ihre Enttäuschung jedesmal nur an mir ausgelassen. »Sie haben mir versprochen, mich nach Cambridge zu schicken. Versprochen haben sie’s mir!« Allein der Gedanke daran machte sie wütend. Sie sah von der Bratpfanne hoch und drohte mir mit der Gabel, ehe sie den Speck mit ihr aufspießte.
»Und jetzt wollen sie nicht mehr? Haben sie das gesagt?«
»Ich werde mein Studium selbst finanzieren. Wenn ich sparsam bin, schaffe ich’s«, sagte sie. »Im Juni werde ich dreiundzwanzig. Ich werde mir jetzt schon vorkommen wie eine Oma, wenn ich mit diesen achtzehnjährigen Schulkindern im Hörsaal sitze.«
»Was haben sie gesagt?«
»Morgan hat mich in der vergangenen Woche auf dem Gang angesprochen. Fragte mich, wie mir die Arbeit gefällt. Und was ist mit meinem Studienplatz in Cambridge? sagte ich. Er hatte nicht den Mumm, mir’s geradeheraus zu sagen. Er sagte, es wäre kein Geld dafür da. Das Aas. Aber dafür, dass Morgan an Konferenzen in Australien teilnimmt und an diesem verdammten Symposium in Toronto, dafür ist natürlich Geld da. Für die Vergnügungsreisen der Herren Chefs immer!«
Ich nickte. Ich selbst würde zwar nicht unbedingt nach Australien oder Toronto zum Vergnügen reisen, aber Morgan hatte vielleicht seine Gründe. »Sag bloß, du hast ihm das gesagt?«
»Und ob. Dem hab ich’s gegeben. Wir standen gerade vor dem Büro des Deputy. Wahrscheinlich hat er jedes Wort gehört. Ich hoffe es.«
»Du hast Haare auf den Zähnen, was?«
Knurrend knallte sie die Teller auf den Tisch, konnte sich dann aber das Lachen doch nicht verkneifen. »Na und wie, von der Seite kennst du mich nur noch nicht.«
»Sag doch nicht so was, Liebling!«
»Du behandelst mich wie ein blödes Kind, Bernard. Ich bin kein Idiot.« Ich sagte nichts. Der Toast flog klappernd aus dem Toaster. Gloria rettete beide Scheiben, ehe sie in den Ausguß hüpften, und legte sie neben die Eier mit Bacon auf meinem Teller. Als ich dann zu essen begann, setzte sie sich mir gegenüber, das Gesicht in die Hände, die Ellbogen auf die Tischplatte gestützt, und betrachtete mich aufmerksam, als wäre ich ein Tier im Zoo. Ich gewöhnte mich jetzt langsam daran, aber nervös machte mich diese Aufmerksamkeit noch immer. Manchmal begegnete ich ihrem neugierigen Blick, wenn ich aus einem Buch aufsah oder den Telefonhörer auflegte.
»Wann, hast du gesagt, kommen die Kinder nach Hause?« fragte ich.
»Du hast doch nichts dagegen, dass sie zu dem Handarbeitsmarkt gegangen sind?«
»Ich weiß nicht, was ein Handarbeitsmarkt ist«, sagte ich, und es stimmte sogar.
»Er ist im Gemeindesaal an der Sebastopol Road. Die Leute backen Kuchen, legen Gurken ein, stricken Teewärmer und stiften Weihnachtsgeschenke, die sie nicht brauchen können. Es ist ein Wohltätigkeitsbasar.«
»Und warum sollten Billy und Sally dahin wollen?«
»Ich wusste, dass du dich ärgerst.«
»Ich ärgere mich nicht, aber weshalb sollte sie so was interessieren?«
»Spielzeug gibt’s da auch. Genaugenommen ist es ein Trödelmarkt, aber der Frauenbund nennt die Veranstaltung eben den Neujahrshandarbeitsmarkt. Klingt einfach besser. Ich wusste, dass du keine Geschenke mitbringen würdest.«
»Ich hab’s versucht. Ich wollte, wirklich.«
»Ich weiß, Liebster. Die Geschenke waren auch nicht der Grund, weshalb die Kinder hier sein wollten, wenn du kommst. Aber ich habe sie überredet hinzugehen. Es ist gut für sie, mit Kindern zusammenzusein. Ein Schulwechsel in diesem Alter ist nicht leicht. In London hatten sie viele Freunde; jetzt müssen sie sich hier neue suchen. Es ist nicht leicht, Bernie.« Eine beachtliche Rede. Vielleicht hatte sie die vorbereitet.
»Ich weiß.« Ich malte mir immer noch mit Schrecken aus, wie es sein würde, wenn sie ab Oktober – oder wann immer das akademische Jahr an solchen Orten anfing – in Cambridge studierte. Was sollte ich dann in diesem elenden Haus in einer Gegend, wo ich keine Menschenseele kannte? Und was sollte aus den Kindern werden?
Sie hatte offenbar meine Gedanken gelesen. »Ich komme an jedem Wochenende nach Hause«, versprach sie.
»Du weißt, dass das unmöglich ist«, sagte ich. »Du wirst verdammt hart arbeiten
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