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Gekapert

Titel: Gekapert
Autoren: Nuruddin Farah
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Al-Schabaab gestoßen. Ahl, Maliks älterer Bruder, wird auf der Suche nach seinem Stiefsohn in den nächsten Tagen ebenfalls in Somalia eintreffen. Anders als Jeebleh und Malik wird Ahl in Puntland seine Zelte aufschlagen, jenem autonomen Staat, der in den internationalen Medien wegen seiner Piratenverstecke berüchtigt ist. Malik erinnert sich an Jeeblehs Erklärung, im gebeutelten Somalia ließen sich Berichte nicht nachprüfen, man müsse lediglich ein kutiri-kuteen in Umlauf bringen, ein Gerücht, und man könne sicher sein, daß es bald Beine bekomme und während seines Umherstreifens immer neue Hörer finde, von denen jeder sein Teil hinzufügen werde, bis das Gerücht immer schneller werde und die Wahrheit überhole. Offenbar steht Taxliil jetzt kurz davor, als Verbindungsmann zwischen einem der Al-Schabaab-Anführer und den Piraten nach Puntland geschickt zu werden. Malik und Jeebleh haben vor, Ahl auf jede erdenkliche Weise bei der Suche nach Taxliil zu unterstützen. Jeebleh verfügt über weitreichende Kontakte in der Stadt, Malik wird sicherlich Beziehungen zu Journalisten und anderen Personen knüpfen können. Sie sind zuversichtlich, daß sie Taxliil aufstöbern werden.
    Der Sand, der jetzt vom Meer hereinweht, brennt auf Maliks Haut, es liegt mehr als ein Hauch Salz in der Luft; unausgesetzt reibt er sich mit dem Handballen die Augen, die bereits gerötet sind. Der ihnen bereits vertraute weißgekleidete Mann mit der violetten Kufija öffnet das Fenster einer der Zollkabinen und stempelt, nachdem sie eine Visumgebühr von zwanzig US -Dollar entrichtet haben, ihre Pässe ab, ohne daß ein einziges Wort fällt. Trotzdem will Jeeblehs siebter somalischer Sinn keine Ruhe geben.
    Sie nehmen ihre Koffer. Ein anderer weißgekleideter Mann mit einer einschwänzigen Peitsche in der Hand fragt, ob sie etwas zu verzollen hätten. Jeebleh verneint. »Willkommen in unserem Land«, sagt der Mann und fügt hinzu: »Geht mit Gott.«
    Sobald sie das Gebäude verlassen haben, läuft Jeebleh über das Niemandsland des Flughafengeländes, gönnt sich körperlichen und geistigen Freiraum, damit sich seine Nerven beruhigen. Malik schlendert hinter ihm her, läßt sich Zeit. Zweifellos ist heute vieles anders als beim letzten Mal, bei Jeeblehs grauenvoller Ankunft im fünfundzwanzig Kilometer nördlich gelegenen Casillay. Damals bebte er von Kopf bis Fuß, sein Herz schlug ängstlich. In jenen Tagen brachen immer wieder erbitterte bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den Warlords StrongmanSouth und StrongmanNorth aus. Eine grüne Linie teilte die Stadt in ungleiche Hälften, jeder Warlord kontrollierte seine Hälfte. Noch ehe Jeebleh den Flughafen verlassen hatte, war ein Junge, der noch nicht einmal das Teenageralter erreicht hatte, getötet worden, als er und seine Mutter ein Flugzeug nach Nairobi besteigen wollten.
    Jeebleh weiß, daß die internen Streitigkeiten der Union den Aufbau einer Stadtverwaltung verhindert haben, aber die weißgekleideten Männer mit ihren Reitgerten und Peitschen repräsentieren immerhin eine Art Ordnung. Diesmal gibt es keine zwielichtigen Männer, die einem auflauern, keine wildgewordenen Jugendlichen, die einen ungeachtet der Konsequenzen als Schießscheibe benutzen. Auch ohne Uniformen oder Abzeichen finden Aktivitäten statt, die für gewöhnlich der Obrigkeit obliegen. Männer stempeln Pässe ab, kontrollieren Papiere, halten die Zuschauer zurück und jene, die zur Begrüßung der Passagiere gekommen sind. Jeebleh und Malik gehen an der lauten, erwartungsvollen Menge vorbei, an wartenden Taxifahrern, an Arbeitslosen, die ihre Dienste als Gepäckträger anbieten, an Bettlern. Erstaunlicherweise wagt keiner aus diesem lärmenden Haufen das Abtrennungsseil zu überwinden, über das ein Mann im langen Gewand mit Peitsche wacht. Dann entdeckt Jeebleh den winkenden Dajaal, und er entspannt sich. Sein Freund ist ein alter Fuchs, der gute und schlechte Zeiten in dieser Stadt überstanden hat. Während seines Besuchs 1996 hat sich Jeebleh mit ihm getroffen, und er weiß, daß er mutig, zuverlässig, akribisch und vor allem pünktlich ist.
    Jeebleh umarmt Dajaal herzlich und stellt ihn Malik als den Mann vor, »den man an seiner Seite haben möchte, wenn es brenzlig wird«. Malik präsentiert er als »meinen Schwiegersohn, den Vater meiner einzigen Enkelin«.
    Dajaal wird von einem schlaksigen, jungen Mann mit breitem Grinsen und langem Hals begleitet, den er als Gumaad, einen Journalisten,
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