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Gekapert

Titel: Gekapert
Autoren: Nuruddin Farah
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dem Mann in Sarong und T-Shirt.
    Dieser schenkt ihm keinerlei Aufmerksamkeit.
    Wie um sie noch mehr aus der Fassung zu bringen, taucht ein weiterer Mann auf – ein beeindruckend großer Mann, das Gesicht behaart, die Haltung stolz, der Gang gemessen, die Knopfaugen durchdringend, ungewöhnlich distanziert. Er hat den längsten und ungepflegtesten Bart, den Jeebleh je gesehen hat, er erinnert an den eines frommen Sikh. Seine makellose weiße Kleidung, die er trägt wie ein Polizist eine Uniform, besteht aus Tunika und pyjamaähnlicher Hose, oben weit, unten eng geschnitten, die Beine kurz genug, um die rituellen Waschungen durchführen zu können, ohne sie hochrollen zu müssen. Er trägt zwei Handys, ein klingelndes in der rechten Hand, ein stummes in der linken. Vielleicht steckt ein drittes in seiner Tunikatasche, die schwer nach unten gezogen wird. »Was macht der denn hier?« flüstert Gumaad Dajaal zu.
    »Bei Garweyne weiß man nie«, sagt Dajaal, »aber sag mal, ist er denn nicht mehr im Computergeschäft? Ich dachte, es läuft ganz gut für ihn in letzter Zeit.«
    »Unter denen, die zum militärischen Nachrichtendienst der Union berufen wurden, ist er der aufsteigende Stern«, sagt Gumaad.
    »Nicht dein Ernst!« sagt Dajaal.
    Malik hat das Gespräch mit angehört, ihm fällt auf, daß dieser Mann trotz seiner Größe wie ein Bodybuilder aussieht, kein Gramm Fett.
    Wie sich im vergangenen Jahrzehnt die Mode in der Stadt geändert hat, geht es Jeebleh durch den Kopf. Mitte der 90er trugen drei Viertel der Männer Sarongs, weil es kaum Schneider gab. Jetzt scheint Mogadischu modische Inspiration von weither zu beziehen, aus Saudi-Arabien, Afghanistan und Pakistan. Die Vielfalt der Gewänder, die er in der kurzen Zeit seiner Ankunft an beiden Geschlechtern gesehen hat, ist eindrucksvoll.
    Vollbart hat es auf Maliks Laptop abgesehen.
    »Ist das dein Laptop?« fragt er Malik.
    Malik bewegt sich nicht von der Stelle, die Beine gespreizt, den Körper leicht zurückgelehnt, als wäre er kurz davor, eine widerspenstige Tür mit der Schulter einzurennen.
    »Ich bin somalischer Journalist, lebe in Amerika, und ich bin hier zu Besuch, weil ich über die bemerkenswerten Ereignisse in diesem Land berichten möchte«, gibt er Vollbart zur Antwort.
    »Für wen schreibst du?«
    »Ich bin freier Journalist.«
    Malik erinnert sich an Geschichten über Journalisten und Autoren, die zu kommunistischen Hochzeiten in die Sowjetunion reisten: Wer zugeknöpfte Antworten gab, erhielt einen offiziellen Verweis und keine Aufenthaltserlaubnis.
    Er springt ins kalte Wasser. »Ich hoffe, über den Frieden schreiben zu können, der über einem Land heraufzieht, das dank der Union islamischer Gerichte den Warlords und deren Verbündeten entrissen wurde.«
    Vollbart klingt, als würde vor langer, langer Zeit geschluckter Wüstensand seine Sprache beeinträchtigen, ihren Rhythmus ändern, ihren Fluß hemmen, wie eine Schlammlawine, die einen Gully verstopft. »Gib den Laptop her«, sagt er.
    Mißtrauen verdunkelt Maliks Augen, als ihm klar wird, daß die Tür, die er einrennen will, nicht nachgeben wird. Sein Gesichtsausdruck erstarrt, aber er schweigt. Er runzelt die Stirn, ist mehr verwirrt als wütend, fragt sich, warum ihm niemand zu Hilfe kommt, warum sich keiner der anderen für ihn einsetzt.
    Malik schluckt seinen Ärger hinunter. »Warum?«
    Vollbart hat das listige Aussehen eines Mannes, der aus dem Stegreif seine eigenen Gesetze macht. Malik begreift, daß er ihn nicht dazu bringen wird, die Entscheidung, ihm seinen Laptop wegzunehmen, rückgängig zu machen. Er kennt Männer wie Vollbart – Brutalos, die sich einen Spaß daraus machen, Journalisten zu tyrannisieren.
    »Weil ich es sage«, erwidert Vollbart. Seine Hände widmen sich seinem Bart, zwirbeln ihn; er fährt sich mit der Zunge über den Schnurrbart. Wie Malik sich danach sehnt, ihm das Feixen aus dem Gesicht zu schlagen. Alle schweigen. Wie die Situation entschärfen?
    »Und wenn wir uns weigern?« mischt Gumaad sich ein.
    Vollbarts Grinsen verwandelt sich in eine Grimasse. »Wir – wer ist wir ?« fragt er Gumaad. »Du und wer noch?«
    Die Nervosität läßt alle zappelig werden. Ein fast unmerkliches Nicken von Gumaad ermutigt Dajaal. »Ich habe immer geglaubt, der Unterschied zwischen deiner Truppe und den Warlords, von denen ihr die Macht übernommen habt, sei euer Gefühl für Respekt. Findest du nicht, daß unsere Gäste Respekt verdienen?«
    Vollbart versteht es
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