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Geisterstadt

Geisterstadt

Titel: Geisterstadt
Autoren: Stacia Kane
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Ende war, nicht vergessen. Und ganz egal, ob jetzt der richtige Augenblick war oder nicht, einen besseren Moment würde es so schnell nicht geben; sie musste zurück zu ihren Kollegen und ihnen die Formel verraten, damit sie die Hunde vertreiben und die Geister beruhigen konnten.
    Stundenlange Arbeit lag vor ihr, falls sie überhaupt lange genug lebte, um sie zu erledigen. Ein paar Lamaru hatten immer noch nicht aufgegeben. Schreie und Geheul erfüllten noch immer die Luft. Geister schwirrten als blendende Lichtblitze um sie herum. Sie legte ihm die Hände auf die Schultern und fing den Blick seiner dunklen Augen ein. Es kam ihr vor, als müsste sie sich jede Sekunde übergeben, aber wenn sie das tat, ohne zuvor ihrem Herzen gefolgt zu sein, würde sie sich das nie verzeihen.
    »Terrible, ich liebe dich.«
    Er blinzelte. Sie wurde aus seinem Blick nicht schlau, hatte keine Ahnung, was in ihm vorging. Tausend Ausflüchte lagen ihr auf der Zunge und schnürten ihr die Kehle zu, so eilig hatte sie es plötzlich, mit allem gleichzeitig herauszuplatzen, nur um so zu tun, als hätte sie das gerade nicht gesagt oder nicht so gemeint, Scheiße, sie kam sich so blöd vor ...
    Das Portal explodierte in einem blauen Feuerball und einem Hagel aus Eisensplittem.
    Baldarel war gekommen.

39
    In jene große Leere unter der Erde verbannte die Kirche die zornigen Seelen und linderte ihre Qual; und dank der Macht der Kirche herrschte Frieden, wie auf Erden, so auch darunter.
    Das Buch der Wahrheit, »Ursprünge«, Artikel 75
    Ohrenbetäubende Stille folgte der Explosion. Einen Herzschlag lang starrten alle - die Kirchenangestellten, die Lamaru, die Gangmitglieder und die Geister - auf das gewaltige Loch, die Wolke aus beißendem schwarzem Rauch, die sich zur Decke wälzte, und die Menschenmenge, die sich dort drängte, wo einmal das Portal gewesen war.
    Baldarels Macht folgte den Flammen auf dem Fuße und zerriss die Luft der Ewigen Stadt. Chess’ Haare wurden ihr aus dem Gesicht geweht, und sie klammerte sich fester an Terrible, als Baldarels magische Kraft sie von den Füßen zu reißen drohte.
    Die Psychopomps hatten sich in Luft aufgelöst. Sie waren einfach zu schwarzen Rauchwölkchen geworden, die an Ort und Stelle verdampft waren. Kaum hatte sie begriffen, was geschehen war, waren sie auch schon verschwunden.
    Baldarels Stimme donnerte ihnen entgegen, ließ ihren Körper erbeben und dröhnte in ihrem Kopf, bis sie nichts anderes mehr hören konnte und ihr schwarz vor Augen wurde. Verdammt, das war übel, er war so stark, viel zu stark, was sollten sie jetzt
    bloß tun, wie zum Teufel sollten sie ein derart mächtiges Wesen aufhalten ...
    Doch dann erhob sich eine weitere, wohlvertraute Stimme, die über sie hinwegrollte und ihren aufgescheuchten Verstand besänftigte. Es war der Älteste Griffin, allein zunächst, dann gemeinsam mit dem Großältesten, dem Ältesten Ramos und dem Ältesten Thompson. Unwillkürlich traten ihr Tränen in die Augen, und ohne darüber nachzudenken, stand sie auf und stimmte in den Chor mit ein.
    Sie rezitierten das Vakterum Alagarum, eine Formel aus Worten der Macht, die man ihr noch nie auszusprechen erlaubt hatte. Alle Kirchenangestellten mussten sie kennen, aber ähnlich wie bei magischen Symbolen konnte man sie nicht wiedergeben, ohne zugleich die Zauberwirkung auszulösen, weshalb das 'Vakterum nur in höchster Not aufgesagt wurde. Bei ihrem Examen hatte sie es niedergeschrieben, alle 45 Zeilen.
    Sie übertönten Baldarels Stimme und brachten sie mit einer Flutwelle reinster Kirchenmagie zum Schweigen. Chess schöpfte neuen Mut. Das konnte noch nicht alles gewesen sein, so viel war ihr klar, und sie wartete insgeheim bereits auf den nächsten Hammer; aber in diesem Moment wünschte sie sich nichts sehnlicher, als verdammt noch mal zu glauben, dass es tatsächlich möglich war, dass sie einfach so gewinnen und mit Baldarel so mir nichts, dir nichts fertig werden konnten.
    Ihre eigene Kraft regte sich jetzt auch wieder in ihr, ohne dass sie selbst genau wusste, woher sie eigentlich kam. Sie hatte ganz sicher nicht das Gefühl, noch irgendwelche Energiereserven zu besitzen; sie hatte eigentlich nicht das Gefühl, überhaupt noch zu irgend etwas im Stande zu sein. Die Wirkung des Speed ließ langsam nach, sie kam nach dem Rausch runter, sie stank nach Müll und Erbrochenem, und Terrible hatte ihr nicht geantwortet. Sie fühlte sich innerlich ausgebrannt, als wären dort, wo einmal ihre Seele und
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